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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine Hand auf Vasviks Arm. »Was ist passiert?«
    Er lächelte trübe. »Wie sterben Ombudsleute, Kirsti? Sie wurde ermordet. Ich hab die Nachricht erst heute Morgen bekommen.«
    »Arbeitete sie gerade an irgendwas Brisantem?«
    Vasvik nickte, starrte in die Plastiktischplatte hinein. »Eine amerikanische Schuhfabrik in der Nähe von Hanoi. Das Übliche, Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Polizei vor Ort nicht kooperationswillig.« Er holte tief Luft. »Man hat ihr Auto gefunden, von der Straße abgedrängt, eine Stunde von der Stadt weg, an einem Ort, wo sie ganz bestimmt nichts zu bestellen hatte. Scheint, als hätte jemand einen Ausflug mit ihr gemacht. Vergewaltigt. Erschossen. Eine Kugel in den Hinterkopf.«
    Er warf Carla, die beim Wort vergewaltigt zusammengezuckt war, einen Blick zu.
    »Ja, wahrscheinlich ist es gut, wenn Sie das auch hören. Jannicke ist die Dritte in diesem Jahr. Die Kanadier haben schon doppelt so viele verloren. UN-Ombudsmänner verdienen ihr Geld und kommen oft genug nicht mehr dazu, es auszugeben. Nach dem, was Kirsti sagt, ist Ihr Mann für diese Arbeit möglicherweise nicht geeignet.«
    Der in dieser Bemerkung enthaltene Affront gegen Chris ließ sie, wie üblich, in die Luft gehen.
    »Nun, ich möchte bezweifeln, dass Sie sich lange im Conflict Investment würden halten können.«
    Die anderen beiden sahen sie mit eisiger norwegischer Missbilligung an.
    »Kann schon sein«, sagte Vasvik schließlich. »Es war nicht meine Absicht, Sie oder Ihren Mann zu beleidigen. Aber Sie sollten wissen, in was Sie ihn da hineinbugsieren wollen. Vor weniger als fünfzig Jahren war dies noch ein gemütlicher, an einen bestimmten Ort gebundener Schreibtischjob. Das hat sich geändert. Inzwischen kann er einen, auf dieser Ebene, das Leben kosten. Es gibt keine Anerkennung für die Arbeit, die wir tun – bestenfalls betrachtet man uns als kleinliche Bürokraten, schlimmstenfalls als Feinde des Kapitalismus und Bettgenossen von Terroristen. Unser UN-Mandat ist ein schlechter Witz. Es gibt nur eine Hand voll von Regierungen, die auf unsere Erkenntnisse hin handeln. Die anderen knicken unter dem Druck der Konzerne ein. Einige Länder, wie die USA und ebenso natürlich Großbritannien, weigern sich rundherum, das Verfahren zu unterstützen. Sie gehören nicht einmal zu den Signatarstaaten des Abkommens. Sie legen uns Hindernisse in den Weg, wo sie nur können. Sie stellen unser Budget in Frage, sie fordern eine Transparenz, die unsere Außendienstleute zur bequemen Zielscheibe macht, und sie bieten den Tätern, bei denen wir tatsächlich mal eine Anklage erreichen, rechtlichen und finanziellen Schutz. Zwei von drei Fällen müssen wir wegen akuter Aussichtslosigkeit gleich wieder zu den Akten legen, und«, er stieß sein Kinn in die Richtung, wo Jannicke Onarheims Leiche sich augenblicklich befinden mochte, »wir begraben unsere Toten unter dem höhnischen Gejohle der Massenmedien.«
    Schweigen. Am anderen Ende des Cafes machte sich jemand an der Kaffeemaschine zu schaffen.
    »Hassen Sie Ihren Job?«, fragte Carla leise.
    Ein dünnes Lächeln. »Nicht so sehr wie die Leute, die ich jage.«
    »Chris, mein Mann, hasst seinen Job. So sehr, dass es ihn umbringt.«
    »Warum hört er dann nicht einfach auf?« Es lag wenig Sympathie in der Stimme des Ombudsmannes.
    »Sie haben so verdammt leicht reden.«
    Kirsti warf ihr einen warnenden Blick zu. »Truls, Chris ist in den Londoner Sperrzonen aufgewachsen. Du hast sie gesehen, du weißt, wie es da zugeht. Und du weißt, was mit denen los ist, die es schaffen, sich da herauszukämpfen. Erste-Generation-Syndrom. Falls aufhören bedeutet, dass er in die Zonen zurückmüsste, würde er eher sterben. Mit Sicherheit würde er eher töten. Und wir wissen doch, wie sich letzten Endes das eine mit dem anderen verschlingen kann.«
    Noch ein Lächeln, diesmal weniger dünn. »Ja. Erste-Generation-Syndrom. An die betreffende Vorlesung kann ich mich aus irgendeinem Grund noch gut erinnern.«
    Kirsti nahm sein Lächeln auf. Die Art und Weise, wie sie ihren Körper unter dem Pullover bog und streckte, ließ ihre Tochter einmal mehr erröten.
    »Danke«, sagte sie. »Hatte gar nicht gewusst, dass sie so denkwürdig war.«
    Es war, als sei eine schwere Last von Vasviks Schultern gefallen. Sich auf seinem Plastikstuhl ein wenig aufrichtend, wandte er sich wieder an Carla.
    »Okay«, sagte er. »Ich will es gar nicht bestreiten. Jemand wie Ihr Mann könnte uns nützlich

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