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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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sind. Sinnlos, irgendwelche Überblicksmessungen zu machen. Die Strahlung verfälscht alle Werte.«
    Nicht zum ersten Mal verspürte Carla einen plötzlichen Rechtfertigungsdruck bei der Erwähnung ihrer Wahlheimat.
    »Ich hab gehört, dass es sich da lediglich um Kühlflüssigkeit gehandelt hat – kaum ausreichend, um großen Schaden zu verursachen.«
    »Mein liebes Kind, du lebst schon zu lange in London, wenn du wirklich glaubst, was die britischen Medien dir erzählen. Es gibt kein Lediglich, wo es sich um atomare Verseuchung handelt. Es war eine gewaltige Katastrophe, das weiß jeder, der Zugang zu unabhängigem Rundfunk hat.«
    Carla errötete. »Wir haben unabhängige Sender.«
    »Bezahlt Chris dafür, dass sie nicht gestört werden?« Ihre Mutter schien neugierig. »Ich dachte, man könne da nicht viel gegen ausrichten.«
    »Nein, er ist davon befreit. Hat eine Lizenz. Für seinen Job.«
    »Oh, verstehe.« Es lag eine bemühte Höflichkeit in Kirstis Stimme, die ihr Missfallen aber nicht ganz verbergen konnte. Carla wurde noch röter. Sie sagte nichts mehr, bis die Reifen des Volvos über den Kies des Parkplatzes neben der Beobachtungsstation knirschten. Dann, unbewegt auf dem Beifahrersitz, während Kirsti den Motor abdrehte, sagte sie: »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.«
    »Als wir sie am Freitagabend hatten, war es eine gute Idee«, sagte ihre Mutter emphatisch. »Und es ist immer noch eine gute Idee. Eine meiner besten. Und jetzt komm.«
    Kirstis Ausweis von der Universität Tromsö schleuste sie durch die Eingangstür, und ein Blick auf die Lageplandaten am Empfang verriet ihnen rasch, dass Truls Vasvik sich derzeit im obersten Stockwerk aufhielt. Sie nahmen die Treppe, Kirsti immer zwei Stufen voraus. Ist gut für den Hintern, rief sie über die Schulter zurück, nachdem ihre Tochter sich keuchend über ihr Tempo beschwert hatte. Sind nur fünf Stockwerke. Komm schon.
    Sie fanden Vasvik im Personalcafe. Er war, fand Carla, der klassische Kirsti-Typ. Hager, lange Glieder, und eine Aura von Unabhängigkeit strahlte von ihm aus wie die Wirkung einer kürzlich verabreichten Droge. Er trug einen Pullover mit rundem Halsausschnitt, Segeltucharbeitshosen, Wanderstiefel und einen wenig gepflegten schweren schwarzen Mantel, den auszuziehen er anscheinend noch keine Zeit gefunden hatte. Die Kleidung hing an seinem schmalen Körpergestell herunter, eine eher zufällige und gleichgültige Bedeckung, und seine von silbernen Strähnen durchzogenen schwarzen Haare waren lang und ungekämmt. Er mochte Anfang vierzig sein. Als sie auf ihn zukamen, erhob er sich und streckte seine knochige Hand aus.
    »Hallo, Kirsti.«
    »Hallo, Truls. Das ist meine Tochter Carla. Carla, Truls Vasvik. Schön, dich mal wiederzusehen.«
    Vasvik grunzte.
    »Hast du Gjerlow schon gesehen?«
    »Vor ungefähr einer Stunde.«
    »Oh, entschuldige. Ich wusste nicht…«
    »Wollen wir uns setzen? Da ist Kaffee in der Maschine drüben, wenn ihr welchen möchtet.«
    »Kann ich dir einen mitbringen?«
    Vasvik zeigte auf die vor ihm stehende Tasse und schüttelte den Kopf. Carla ihrem Schicksal überlassend, begab sich Kirsti zum Tisch der Selbstbedienungsgeräte. Carla nahm, indem sie Vasvik ein verlegenes Lächeln schenkte, am Tisch Platz.
    »Sie kennen meine Mutter also schon eine ganze Weile.«
    Er starrte zu ihr zurück. »Lange genug.«
    »Ich, äh, finde es sehr nett von Ihnen, dass Sie sich Zeit für uns nehmen.«
    »Ich musste sowieso hierher. Es war kein Problem.«
    »Ja, ähm. Wie läuft es denn? Ich meine, dürfen Sie überhaupt darüber sprechen?«
    Ein Achselzucken. »Es ist, streng genommen, nicht vertraulich, jedenfalls nicht, was meinen Aufenthalt hier betrifft. Ich brauche ein paar Daten, um einen Fall, an dem wir arbeiten, hieb- und stichfest zu machen. Gjerlow meint, er hätte sie.«
    »Ist es eine britische Angelegenheit?«
    »Diesmal nicht. Französisch.« Eine Spur von Neugier erschien auf seinem Gesicht. »Sie leben also dort?«
    »Wo, Großbritannien? Ja. Stimmt.«
    »Macht es Ihnen nichts aus?«
    Sie biss sich auf die Lippen. Kirsti erschien mit Kaffeetassen und errettete sie beide aus der havarierenden Unterhaltung.
    »Also«, sagte sie munter. »Wo sind wir?«
    »Wir haben noch nicht angefangen«, sagte Vasvik.
    Kirsti runzelte die Stirn. »Geht’s dir gut, Truls?«
    »Eigentlich nicht.« Er sah ihr in die Augen. »Jannicke ist tot.«
    »Jannicke Onarheim? O nein! Das tut mir Leid, Truls.« Kirsti legte

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