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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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möchte wissen, aus welchem Stoff Sie gemacht sind.«
    Er sah ihr in die Augen, und der Blick hielt an. Dauerte länger, als zuträglich war. Er räusperte sich.
    »Ich werde jetzt nach Hause gehen.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Wollen Sie fahren?«
    »Ich…« Er erhob sich, zu schnell. »Nein, vielleicht lieber nicht. Ich ruf mir ein Taxi.«
    »Das wird Sie ein Vermögen kosten, Chris.«
    »Na und? Ich verdiene ein Vermögen. Sind doch hier nicht in der Scheißarmee, wissense, ich werd gut bezahlt dafür, dass ich Leute umbringe.«
    Sie stand auf und legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Ich hab eine bessere Idee.«
    »Ach ja?« Plötzlich merkte er deutlich seinen Pulsschlag. »Was denn für eine?«
    »Ich wohne in Highgate. Das ist eine billige Fahrt mit dem Taxi, und ich habe einen Gästefuton zu Hause, auf den Sie genau passen würden.«
    »Wissen Sie, Liz…«
    Sie grinste plötzlich. »Bilden Sie sich nur nichts ein, Faulkner. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen und mir Ihren Schwanz in den Hals zu stopfen, falls es das ist, was Ihnen Sorge bereitet. Ich ziehe es vor, nüchterne Männer zu vögeln.«
    Wider Willen musste er lachen. »He, nehmen Sie nur kein Blatt vor den Mund, Liz. Schonen Sie mich nicht.«
    »Also.« Auch sie lachte. »Nehmen wir jetzt das Taxi?«
    Sie bestellten das Taxi über dasselbe Tischmenü wie die Drinks. So früh am Abend war es nicht schwer, eins zu bekommen. Liz beglich die Rechnung, dann gingen sie. Im Irak-Saal wurde frenetisch getanzt, zu dem kruden, hirnlosen Beat von Thrash-Bands der frühen Millenniumjahre wie Noble Cause und Bushin’. Sie tauchten unter dem Gewusel der Körper hindurch, erreichten die Treppe unbeschadet und schafften es, immer noch lachend, hinaus auf die Straße.
    Das Taxi stand schon da, schwarz glänzend im späten Abendlicht, wie ein Spielzeug, das ihnen gehörte. Chris war jäh ernüchtert, das Lachen erstarb ihm im Hals. Er blickte zur Seite und sah, dass auch Liz Linshaws Ausgelassenheit wie weggeblasen war. Er konnte den Ausdruck, der diese ersetzt hatte, nicht interpretieren. Einen Augenblick lang standen sie nur da, das Taxi anstarrend wie zwei Idioten, und dann krachte Chris die Erkenntnis in den Hinterkopf wie eine Nemex-Patrone. Die bissige Amüsiertheit am Telefon, der zum Verrücktwerden vertraute Klang ihres kehligen Lachens. Endlich begriff er, woran diese Frau ihn die ganze Zeit erinnerte.
    An Carla.
    Carla in der Zeit, als sie sich gerade kennen lernten. Carla vor drei oder vier Jahren. Carla, bevor die schleichende Entfremdung ihren Tribut forderte.
    Was zur Hölle…
    Es war der Angstschweiß, der ihm Schauer über den ganzen Körper jagte. Ein Gefühl, das er vor einem Jahrzehnt, während seiner ersten Duelle, hinter sich gelassen hatte. Die pure, existenzielle Furcht, herunterdestilliert auf die reine Essenz, sodass man sie nicht auf irgendetwas Spezielles, Benennbares beziehen konnte. Furcht vor dem Tod, Furcht vor dem Leben, Furcht vor allem, was dazwischen lag, und vor dem, was es nach und nach mit einem anstellen würde. Die Furcht vor dem unvermeidlichen Nachlassen.
    »He, steigen Sie jetzt ein oder was?«
    Der Fahrer lehnte aus dem Fenster, den Daumen nach hinten gerichtet, wo die Türen der schwarzen Taxe ganz von selbst aufgingen. Im Innern leuchtete ein winziges Licht, fiel auf kühle grüne Plüschsitze.
    Liz Linshaw stand da und beobachtete ihn, mit noch immer unergründlichem Gesicht.
    Der Schweiß kühlte ab.
    Er stieg ein.

 
ZWANZIG
     
     
    Im Westen stach Gebirge grimmig in bläuliche Wolkenballungen. Die schwächlichen Strahlen der Spätnachmittagssonne drangen in unregelmäßigen, eher großen Abständen hindurch, um dort, wo sie auftrafen, etwas kümmerliche Wärme zu verbreiten. Carla zitterte ein wenig bei dem Anblick. Von Dunkelheit konnte man noch nicht sprechen – so weit im Norden würde das Tageslicht den Himmel noch für einen weiteren Monat beherrschen –, aber die Silhouette der Lofoten erinnerte dennoch an Wachtürme einer von Trollen bewohnten Stadt.
    »Kalt?« Kirsti Nyquist warf einen Seitenblick vom Fahrersitz des Jeeps herüber. Ihre Fähigkeit, die Stimmungen und Gefühle ihrer Tochter aufzunehmen, grenzte mitunter an Hexerei. »Wir können das Verdeck zumachen, wenn du möchtest.«
    Carla schüttelte den Kopf. »Passt schon. Hab nur gerade nachgedacht.«
    »Dann waren’s wohl keine glücklichen Gedanken.«
    Die Straße rollte sich vor ihnen auf, erst kürzlich in

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