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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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faltete wieder die Hände unter dem Kinn. »Mein altes Leben«, sagte sie. »Ich beginne mich zu fragen, ob da überhaupt etwas war, wofür es sich zurückzukehren lohnt.« Dellinger nickte und sah sie abwartend an. Er hatte sich in seinem Sessel zurückgelehnt, und sein Gesicht lag im Schatten. Bunte Lichtreflexe spielten über seine schattenhafte Gestalt. »Ich scheine weder eine Familie noch einen Lebenspartner gehabt zu haben.«
    Er regte sich sacht. »Woher wissen Sie das? Können Sie sich erinnern?«
    Ash lachte auf. »Ich habe mir meine Akte angesehen.«
    Dellinger gab ein undefinierbares Geräusch von sich. »Das hätte ich mir denken können.« Er beugte sich vor. »Macnamaras junger Assistent, dieser – wie heißt er noch? – Ravi.« Ash nickte abwartend. »Wissen Sie, ob er ebenfalls …?«
    Er bemühte sich, gleichgültig zu wirken, aber da war etwas Drängendes in seiner Stimme, das Ash hellhörig und vorsichtig werden ließ. Sie schüttelte langsam den Kopf. »Da bin ich überfragt. Wir reden über das Dienstliche hinaus nicht viel miteinander. Aber ich kann es mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Er ist sehr korrekt, sehr darauf bedacht, keine Regel zu verletzen. Er zuckt sogar jedes Mal zusammen, wenn einer von uns flucht.«
    Dellinger entspannte sich. »Freut mich«, sagte er. »Der junge Mann hatte keine gute Bewertung von seinem vorgesetzten Offizier. Ungehorsam, renitent, große Probleme mit der Disziplin.«
    Ash hatte Mühe, sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Renitent? Der stille, brave Ravi? Anscheinend spielte er ihnen allen etwas vor. »Hm«, versuchte sie so gleichgültig wie möglich zu klingen.
    »Also, zurück zu uns«, knüpfte Dellinger den Faden wieder an. »Sie haben Ihren Teil unseres kleinen Geschäftes erfüllt. Was kann ich nun für Sie tun?«
    Ash blickte nachdenklich auf ihre Hände hinab. Was wollte sie?
    »Sollte ich mich für den PLAN entscheiden – wie sähe Ihre Hilfe aus?«
    Dellinger lächelte. »Es liegt vollkommen in meiner Macht, die Wartefrist zu verkürzen«, erwiderte er. Ashs Frage schien ihn sichtlich zu erfreuen.
    »Und falls ich Sie bitten würde, mir einen Passierschein zu beschaffen?«
    Er seufzte leise. »Das ist etwas komplizierter«, gab er zu. »Wissen Sie, wie die Passierscheine funktionieren?« Er erhob sich und ging zu dem Tischchen, auf dem eine Sammlung von Flaschen und Gläsern stand. Er zog den Stopfen aus einer geschliffenen Karaffe und schenkte sich eine zweite Portion des bernsteinfarbenen Getränkes ein. Dann sah er sie fragend an. Ash schüttelte den Kopf. Der Met war sehr viel stärker als das, was sie bisher unter diesem Namen getrunken hatte, und begann ihr jetzt schon in den Kopf zu steigen. Sie wollte aber unbedingt nüchtern bleiben.
    Dellinger ging an ihr vorbei und blieb mit dem Rücken zu ihr am Fenster stehen. Er stützte sich mit einer Hand dagegen ab und starrte hinaus. »Der Nullraum«, begann er. »Sie haben Fraktale programmiert? Gut, dann muss ich nicht bei Ask und Embla beginnen.«
    Ash verlor eine Weile den Faden, weil sie über diese seltsame Formulierung nachdachte. Sie kannte die beiden Namen. Ask. Das war »Ash«, aber die männliche Form. Der Eschenmann. Embla. Die Ulmenfrau. Die beiden ersten Menschen, denen Odin, der Allvater, und seine Brüder Hönir und Lodur Atem, Geist und Lebenswärme einhauchten.
    Sie zwang sich, ihre davontreibenden Gedanken wieder einzufangen und sich auf Dellingers Vortrag zu konzentrieren. »… im mehrdimensionalen Raum«, sagte er gerade. »Wenn man sich nun vorstellt, dass der Raum sozusagen aufeinandergefaltet wird wie ein Blatt Papier und eine Nadel ein Loch durch all diese Lagen bohrt, was sieht man dann, wenn man das Papier wieder auseinanderfaltet?« Er sah sie an.
    Das war kein neuer Gedanke, und Ash antwortete, ohne groß nachzudenken: »Das Blatt Papier wird ein Lochmuster zeigen, je nachdem, wie es gefaltet war und wie die Nadel hindurchgegangen ist. Die Löcher sind nicht unbedingt benachbart, sie können über das ganze Blatt verteilt auftauchen.«
    Dellinger nickte zufrieden. »Das ist richtig. Und damit haben Sie auch die Frage beantwortet, was ein Passepartout bewirkt. Er ist gleichzeitig das Werkzeug, das den Raum faltet und die Nadel, die das Loch bohrt.«
    Ash runzelte die Stirn. »Damit ist man aber noch nirgendwo hingelangt.«
    Dellinger hob die Hände, als wollte er Beifall klatschen, und ließ sie wieder sinken. »Bravo. Genau hier liegt das Problem.

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