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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Seine Pläne durchkreuzt. Ihn lächerlich gemacht vor der Welt und den Göttern. Widerspruch. Trotz. Der eigene Wille – wie konnte sie darauf bestehen, dem eigenen Sinn zu folgen statt der Weisung des göttlichen Vaters?
    Er verstieß sie, und es zerriss sein Herz. Sie sollte dem Mann folgen, für den sie ihn, Odin, verraten hatte. Ein Sterblicher. Ein gewöhnlicher, stinkender, furzender, Staub fressender Sterblicher! Ein Midgardsspross mit Dreck zwischen den Zehen, einem steingebauten Haus, Hühnern im Hof und einer Rotte genauso dreckiger, verlauster, zerlumpter Verwandter!
    Jörd regt sich sacht. »Wer war er wirklich?«
    Er spuckt aus. »Ein Königssohn. Ein Ritter. Goldhaarig und strahlend, jung und stark. Und doch …«
    »Und doch«, wiederholt sie, als er schweigt. »Kein Gott. Nicht gut genug für deine goldene, strahlende Tochter.« Sie verschränkt die Hände im Schoß, blickt ihre Finger an wie fremde Geschöpfe. »Aber sie deshalb verstoßen?«
    Er atmet scharf aus. »Ich war zornig«, stößt er hervor. »Oh, ich war so zornig wie noch nie in meinem ganzen Leben!«
    Er meidet ihren Blick.
    Jörd schließt die Augen. Spürt die zaghafte Berührung an ihrer Hand. »Sie war nicht weniger zornig als ich«, flüstert er. »Wir haben uns angeschrien, dass die Mauern bebten und drohten, auf uns hinabzustürzen. Sie hat mir gesagt, dass sie niemals, solange die Sonne auf Asgard scheint, wieder ein Wort an mich richten, ihren Blick zu mir wenden, einen Gedanken an mich verschwenden wird, wenn ich ihren erwählten Gatten nicht anerkenne.«
    »Und du hast ihr die Tür gewiesen und sie ist gegangen«, haucht Jörd, die sie beide besser kennt, ihren Mann und ihre Tochter, als diese sich selbst.
    »Gegangen und niemals zurückgekehrt.« Er nickt und birgt das Gesicht in der Hand.
    »Niemals?«, fragt die Wala.
    Er atmet schwer und rau. »Einmal«, sagt er. »Ein einziges Mal noch habe ich sie gesehen.«
    Sie wartet, aber er fährt nicht fort. »Wann? Wie?«, fragt sie schließlich leise.
    »Als sie Hjördis, unsere Enkelin, zurückholte.«
    Jörd schließt die Augen. »Hjördis«, murmelt sie, kostet den Namen.
    Er fährt fort: »Ich habe sie gefunden, alle beide, dort in Midgard, zwischen all den Sterblichen. Was für ein Leben war das für ein Götterkind? Ihre Mutter hatte es selbst gewählt, aber unsere Enkelin …«
    Er verstummt und blickt auf den Becher in seiner Hand. Stellt ihn beiseite. Steht auf und geht zum Feuer, kniet davor nieder, stützt sich an die Ummauerung des Herdes und starrt ins Feuer, das tanzt, lacht, ihn verhöhnt.
    Die Wala regt sich sacht, will ihn aus seinem Grübeln reißen, will ihn nicht in seinen Gedanken stören, seufzt. Legt die Wange in die bergende Hand und sagt: »Du hast sie entführt.«
    Er hebt den Kopf, wirft einen Blick über die Schulter, ein Lächeln kerbt die Winkel seines Mundes. »Du kennst mich gut«, erwidert er beinahe fröhlich. »Ich habe sie entführt, ja. Ich bin auf den Hof gegangen, an den Misthaufen vorbei, quer durch das schwatzende Gesindel, wie ein Windhauch, eine Staubfahne, ein Tropfen im Wasser. Sie haben mich nicht gesehen, nur gespürt, dass da etwas zwischen ihnen war, das ihnen Schauder bereitet.
    »Oh, es wird ein Gewitter geben«, hat eine Magd gejammert und die Rüben, die sie gerade schälte, wieder in ihre Schürze gesammelt. – »Ich muss die Fenster schließen«, rettete ein Diener sich ins Haus. – »Die Pferde sind so unruhig!« Der Stallmeister nahm seinen Burschen beim Arm und zerrte ihn hinein. »Meine Wäsche, meine frische Wäsche!«, rief die Kammerfrau, raffte ihre Röcke und lief auf die Bleiche hinters Haus.
    Der Hof war leer, kaum dass ich seine Länge durchquert und die Eingangstür des Hauses erreicht hatte. Ich öffnete sie und ging durch den dunklen Flur. Dann stand ich in der Halle, allein mit den Hunden, die sich ums Feuer scharten und mich mit braunen Augen anstarrten. Winselten. Die Schwänze einzogen. Die Köpfe zum Boden neigten. Der Wolfsgeruch, Jörd. Er ist um mich, auch wenn Geri und Freki draußen frei schweifen.«
    Die Wala lächelt still. Ihre Hand hebt sich und gibt ein Zeichen: Weiter.
    »Sie war oben in ihrer lichten Kammer, nur ein Mädchen war bei ihr, die in hellem Schreck hinauslief. Das Kind sah mich und lachte mich an. Streckte die Arme nach mir aus. Ihre Augen waren die Augen unserer Tochter, Brynhilds Augen! Ihr Gesicht – ich habe dich in ihr gesehen. Und groß war sie, mit langen Gliedern, nicht

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