Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
scheuenden Hengst, »Lieber. Bedenke doch, bitte: Wenn du die Enkelin findest, wie willst du mit ihr zurückkehren aus dem fremden Totenreich? Was nützt es dir, wenn es euch beide einschließt? Wer sagt uns denn, dass sie und du einander noch erkennen könnt, wenn Atem und Lebenslicht dir geschwunden sind?«
    Er wehrt sich gegen ihren festen Griff, aber ihre eindringlichen Worte, die eins ums andere ihn erreichen, lassen ihn endlich innehalten. »Jörd«, sagt er. Sein Atem geht schwer. »Jörd, meine Wala. Ich ertrage es nicht, sie dort drüben zu wissen.«
    Die Wala erschrickt. »Du glaubst nicht mehr daran, sie befreien zu können«, flüstert sie. Kalte Erkenntnis lässt sie frösteln.
    Er sagt nichts. Sieht sie nur an. In seinem Auge schimmert es feucht. »Über die Zeiten habe ich sie beschirmt«, sagt er leise. »Ich habe ihre unzähligen Leben begleitet, Monat um Monat, Jahr um Jahr, Jahrhundert um Jahrhundert. Dutzende Male und mehr ist sie gewaltsam gestorben und ich habe sie zurückgeholt von diesem Ort, der so kalt und schrecklich ist, aber unbewacht seit Hels Fortgang. Nun ist es geschehen, was ich all die Zeit fürchtete. Sie ist gestorben und wurde meiner bergenden Hand entrückt. Warum? Warum geschah dies jetzt? Ist ihr Tod nur der erste, deutet er auf unser Ende? Warum soll ich hinauszögern, was ohnehin geschieht? So wäre ich dort, wo mein Tochterkind ist – die Letzte, die mir noch blieb.«
    Jörd lässt ihn nicht los. Sie zieht ihn fort von der scharfen Spitze des Speers. Nimmt seinen Kopf, wie er zuvor den ihren in seine Hände nahm. Küsst seine Lippen, die kalt sind, halb schon vom Leben getrennt. »Wir müssen gehen«, murmelt sie sanft. »Niemand sollte hier weilen, der lebt, und hoffen, dass das Leben ihm bleibt. Hole Gungnir, mein Mann. Nimm deinen Speer, raffe deinen Mut um dich. Folge mir hinauf ins Licht. Wir werden einen Weg ersinnen, der dich zu unserer Enkelin führen mag – oder auch nicht. Aber darüber spreche ich nicht eher mit dir, als die Sonne unsere Glieder gewärmt hat.«
    Neue Hoffnung erblüht in seinem Blick, aber er drängt sie nicht. Vertrauensvoll legt er seine Hand in die ihre und Seite an Seite schreiten sie die lange, gewundene Treppe empor, die sie ins Licht entlässt, ins Leben zurückführt.

11
    Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich,
um mit dem Drachen zu kämpfen.
    L ichtumflossen.
    Ash lehnte sich auf die Ellbogen und sah den Engel an, der neben ihr ruhte. Sein dunkler Kopf auf dem Kissen, die geschlossenen Augen, der sanft geöffnete Mund, aus dem sein Atem strich. Die Schultern, die starken Arme, entspannt im Schlaf. Das Licht, das um ihn spielte, seinem Leib entsprang, ein schwacher, silbriger Schimmer wie der Abglanz des Mondscheins in einem dunklen Zimmer. Ash betrachtete ihn voller Staunen. Das war kein Dämon, der dort schlief. Sie konnte sich auch nur mit Mühe sein Tages-Ich in Erinnerung rufen, das einen Mantel trug und einen Hut, sich für einen toten Schauspieler begeisterte und Kaugummi kaute. Major und Mac genannt wurde. Akten wälzte. Befehle ausführte.
    »Wie ist dein Name?«, fragte sie leise. »Wie heißt du, Engel?«
    Der Glanz um ihn verstärkte sich, er öffnete die Augen. Sie waren nicht rot, sondern von einem lichten, klaren Bernsteinton.
    »Licht«, sagte sie. »Dein Name ist ›Licht‹.«
    Er lächelte schlaftrunken. »Verdammt nah dran, Fraxinus«, murmelte er. Hob die Hand und zog sie an sich.
    Sie genoss die Berührung und genoss es, ihn zu berühren. Er war so ganz anders als Loki, der sie entflammte und mit ihr brannte, bis sie atemlos neben ihm lag, ausgeglüht, Hautschicht um Hautschicht abgeschält bis auf den innersten Kern. Die Hände des Engels waren kühl und behutsam, vorsichtig; sie ertasteten fremdes Terrain und spendeten und empfingen Freude mit dieser sanften Berührung.
    »Das war wirklich dein erstes Mal, oder?«, fragte sie und blinzelte in sein Gesicht.
    Er neigte den Kopf, sah sie an. Seine Mundwinkel hoben sich. »Du bist frech, Fraxinus«, tadelte er.
    »Ich weiß«, sagte sie zufrieden und drehte sich, bis ihre Wange an seiner Brust ruhte. »War schön. Können wir gerne wiederholen. Wenn deine Jungs mich auch mal dazwischenlassen.«
    Er lachte leise. Seine Finger fuhren durch ihr Haar, drehten es zu kleinen Locken. »Bist du sicher, dass du eine Menschenfrau bist?«
    »Wieso?«, fragte sie träge und spürte, wie er die Achseln zuckte.
    »Du hast recht, ich habe bisher

Weitere Kostenlose Bücher