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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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damit. Was passiert ist, ist lange vorüber. Du hast gebüßt.«
    Er hörte sie, aber er schüttelte schwach den Kopf. Seine feuerfarbenen Augen glühten. »Reinigung«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Schloss die Augen, lehnte den Kopf an den Stein.
    Sie stand auf und sah sich suchend, hilflos um. Ihr Blick fuhr den Stamm der Esche empor, suchte den Glanz der goldenen Mauern. »Afi«, rief sie, »wo immer du bist – ich brauche dich!«
    Es wurde Abend. Die feurige Lohe war schwächer geworden, die tanzenden Flammen zu dunkelrot glosender, kriechender Glut heruntergebrannt. Die Gestalt im Feuer kauerte zusammengesunken da, das Gesicht in die Hände gelegt.
    Schritte schallten durch den dunklen Hohlweg, und eine hochgewachsene Gestalt im weiten Mantel trat ans Ufer des Sees, und zwei Wölfe mit hechelnden Zungen begleiteten ihn. Die Hutkrempe beschattete sein Gesicht, aber sein Auge leuchtete wie Mondschein in einer dunklen Nacht.
    Er wartete nicht, dass Ash zu ihm kam. Mit wenigen, langen Schritten war er an Lokis Seite, kniete neben ihm, legte den Arm um des Bruders Schulter, ohne der Flammen zu achten. Er neigte den Kopf, legte seinen Mund an das Ohr des brennenden Gottes, flüsterte. Loki regte sich, hob seine Hand, legte sie auf Odins Arm. Der griff mit der freien Hand danach, packte sie mit festem Griff.
    Ash sah, wie das Feuer erlosch. Loki ließ den Kopf gegen Odins Schulter sinken. Allvater schob seine Hände unter den Körper des Bruders, hob ihn auf und trug ihn zum Pfad, der hinauf zur Krone des Baumes führte.
    Ash sah ihm nach, so lange sie seine Gestalt im dunklen Mantel auf dem düsteren Weg erkennen konnte. In der Kehre streifte Mondlicht sein Haar, das ihm lang über den Rücken hing und ließ es hell aufleuchten.
    Sie wartete und schaute, aber der nächtige Schatten verschluckte Odin und seine Last. Sie war allein.

3
    Yggdrasil zittert, die Esche, doch steht sie,
Es rauscht der alte Baum, da der Riese frei wird.
    T iefer und tiefer schraubt sich der Weg in die Schlucht. Tief taucht Ash, die einst Hjördis war, in den Teich ihrer Erinnerungen, holt sie Stück für Stück ans Licht wie goldschimmernde, perlmuttglitzernde Fische, glatt und wendig, sich sträubend und schwer zu fassen im schwarzen Wasser des dunklen Quells.
    Kein Lichtstrahl erhellt den Pfad. Sie hört das Knacken und Rascheln, das leise Kratzen der Krallen, mit dem das Eichhörnchen ihren einsamen Weg begleitet. Ratatöskr, flüstert sie seinen Namen. Bringst du Botschaft für Nidhöggr, den Totendrachen? Verspottest du ihn mit dem Licht, das seine Augen niemals erblicken?
    Der Pfad hat Yggdrasils Stamm fast zur Gänze umrundet und endet am mächtigen Wall der riesigen Wurzel. Muspellsheims verbrannter Grund tut sich vor ihren Augen auf. Sie hält inne, verschnauft. Spürt das Zerren des Nullraums, nicht mehr gestört von der zaubermächtigen Kraft des Urdbrunnens.
    Ein paar Schritte noch über den kargen Boden, das rissige, steinige Feld. Die Feuerriesen sind längst verschwunden, die hohen, lodernden Flammen erloschen. Geschwärzt und ausgetrocknet liegt Muspellsheim vor ihrem Blick.
    Sie reckt die Schultern, wendet müde den Blick. Was liegt vor ihr? Wohin kehrt sie zurück?
    Ein Geräusch lässt sie herumfahren. Brausende Flammen, singende Lohe. Eine Säule aus flammendem Feuer rast aus der Ebene auf sie zu.
    Sie springt zurück, will sich auf den Pfad retten, schutzsuchend an Yggdrasils raue Rinde schmiegen, aber das Feuer, hochlodernd und laut brüllend, erreicht die Fliehende, hüllt sie ein. Mit einem lauten Schlag entzünden sich Haut, Fleisch und Haar. Sie steht, brennt, schlingt lachend die Arme um den Flammenmann.
    »Da bist du«, hört sie seine Stimme in ihr Ohr flüstern. »Ich hatte solche Angst, dich für immer verloren zu haben.«
    Sie hält ihn umschlungen, brennend, sucht seine Lippen, findet sie.
    »Du hast die Tablette genommen«, sagt er. »Ich hatte dich gewarnt, Hjördis, meine Ash, meine Feuerzähmerin.«
    Sie lässt ihn nicht los, zu lange hat sie seine Berührung entbehrt. Ein Leben lang? Die Trennung schmerzt jetzt wie eine frische Wunde, wo die Erinnerung ihr wieder gehört. »Ich konnte nicht warten«, erwidert sie. »Du kennst mich. Geduld war nie meine Stärke.«
    Er lässt sie nicht los, zu lange hat er ihre Nähe vermisst. Wissend. Wartend. Nur die Erinnerung in seiner hohlen Hand haltend. »Nun gehen wir weiter«, sagt er. Atmet tief die feurige Lohe, die seinen Kopf umwabert. »Hat sich

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