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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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und nicht wiedergekehrt. Es war kein schwerer Dienst. Der Kranke schlief, sie erneuerte seine Verbände, die Wunden schlossen sich nach und nach. Aber das Fieber machte ihr Sorgen. Er war so heiß, seine Stirn glühte, seine Augen rollten unter geschlossenen Lidern, er stöhnte und weinte im Fieberwahn. Sie kühlte seine Stirn, seine Hände, aber das Fieber wollte nicht weichen.
    Dann erwachte sie eines Nachts aus unruhigem Schlummer – sie ruhte in dem großen Lehnsessel, den sie in die Nähe des Lagers geschoben hatte – und sah, wie der Fiebernde in hellen Flammen stand. Sie knisterten und tanzten, lachten und flüsterten, wie es des Feuers Art war. Er lag still inmitten der Flammen, seine Augen waren weit geöffnet und starrten zur Decke.
    Sie sprang auf und griff nach einer Decke, um die Flammen zu löschen. Sein Kopf wandte sich ihr zu, seine Hände hoben sich, wehrten die Decke ab. »Lass«, hörte sie ihn durch das Feuer flüstern. »Es ist gut. Es reinigt.«
    Sie hatte innegehalten, die Decke unschlüssig in den Händen geknetet. Hatte sie fallen gelassen, sich vor das Bett gehockt, das Gesicht der Hitze zugewandt. Warum brannte nicht jetzt schon die Bettstatt? Warum entzündete sich das Stroh des Lagers nicht? Warum schwärzten die Flammen nicht die Wände, das Gebälk?
    Sie spürte seinen Blick, der sich unverwandt auf sie richtete, und erwiderte ihn. Welche Farbe hatten die Augen des Feuergottes? Durch die Flammen war es nicht zu erkennen. Er sah sie an, fragend, ungläubig. »Du bist seine Enkelin«, sagte er. Feuer gloste zwischen seinen Lippen, Funken sprühten in seinem Atem.
    »Odin ist mein Afi«, bestätigte sie.
    »Warum hilfst du mir?«
    Sie hatte keine Antwort. Zuckte die Schultern. »Es ist nicht richtig, jemanden zu foltern, ganz gleich, was er getan hat«, antwortete sie schließlich.
    Sein Atem ging schwer. Sie sah, dass seine Augen zufielen. Er schlief. Sie betrachtete den brennenden Mann und wärmte sich an seinem Zauberfeuer, hing ihren Gedanken nach.
    Als sie erwachte, stand ihre linke Hand in hellen Flammen, ihr Arm brannte bis zur Schulter. Sie fühlte die Flammen, sah sie, roch den Rauch, hörte das Knistern. Spürte die Hitze. Sie war vornüber gegen die Liege gesunken, ihr Arm lag auf seinem brennenden Körper, ihre Stirn ruhte an seiner Hüfte. Sie sah die Flammen auf ihrer Nase tanzen, spürte, wie ihr Haar sich in der Hitze kräuselte. Hatte keine Angst. Begegnete seinem Blick, als sie ihren brennenden Kopf hob, um ihn anzusehen.
    Er streckte die Hand aus und berührte sie. Ihre andere Schulter flammte auf. Schmerzlos. Angstlos. Neugierig blickte sie auf ihre Hände hinunter, auf denen die Flammen tanzten. Sie legte sie auf ihre Oberschenkel, die sich mit einem kleinen Explosionslaut entzündeten. »Ich träume«, sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf, Funken sprühten aus seinen Haaren. »Du bist wach, Feuerzähmerin.« Er setzte sich auf, schwankte vor Schwäche. Sie legte ihre brennenden Arme um seine Schultern, stützte ihn. »Lass uns hinausgehen«, sagte er. »Ich bin nicht sicher, ob ich es noch länger verhindern kann, dass alles hier in Flammen aufgeht.«
    Sie trug ihn mehr zur Tür, als er selbst ging. Trotz seiner Größe war er so leicht wie ein ausgetrocknetes Stück Holz.
    Vor dem Haus sank er in die Knie, stützte sich auf dem moosigen Boden ab. Funken stiebten in den feuchten Grund und verloschen. »Du musst dein Feuer löschen«, stieß er hervor, »bevor du verbrennst. Spring dort ins Wasser. Schnell, eile, Hjördis.«
    Sie ließ ihn los und ging ohne Eile zum See hinunter. Woher wusste sie, dass sie keinen Schaden nehmen würde? Langsam tauchte sie in das kalte, dunkle Wasser, sah mit Bedauern zu, wie das tanzende, freundliche Feuer zischend verlosch.
    Tropfnass kehrte sie zu ihm zurück und drehte ihre Haare zu einem feuchten Zopf. »Was brauchst du, Feuergott?«, fragte sie. »Wasser?«
    Er lehnte an einem Stein, schüttelte matt den Kopf. Im hellen Sonnenlicht waren die Flammen auf seiner Haut blasse Gespenster. Er schien weniger geworden zu sein, kleiner, durchscheinender. Es sah aus, als verlöre er mit jedem Moment mehr von seiner Substanz.
    Sie hockte sich vor ihn hin, zögerte, legte ihre nasse, kühle Hand auf seine Brust. Es zischte, er sog scharf den Atem ein. Ihr Handabdruck erschien schwarz wie Asche auf seiner Haut.
    »Du solltest aufhören zu brennen«, sagte sie. »Es ist nicht mehr gut für dich, Loki. Du brennst vor Schuldgefühlen. Hör auf

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