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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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unzähligen Schlachtfelder des Limbus klappten ineinander, der Limbus rollte sich auf, zog sich zusammen zu einer Lemniskate. Der Himmel zerriss wie fadenscheinig gewordener Stoff, und durch die Löcher drang das Nichts des Nullraums.
    Das Feuer brannte herab, bis nur noch ein geschwärzter Stumpf anzeigte, wo einst Yggdrasil gestanden hatte.
    Am Fuß des Hügels lagen Ash und Loki, aneinandergeklammert, ausgeglüht, blind vor Schmerz. Der Wolf schnürte in großen Kreisen um sie, hielt an, hob den Kopf, witterte, lief weiter.
    Stille.
    Stimmen. Der Nullraum öffnete sich und entließ Dellinger mit seinem Gefolge. Er sah sich zufrieden um, sprach mit seinem Sekretär, der wiederum in sein Headset flüsterte.
    »Wunderbar, das ist alles absolut nach Plan gelaufen«, hörte Ash. »Auf den meisten Feldern haben unsere Leute die Situation im Griff. Die Gegenseite hat sich noch nicht gemeldet, weder das Hauptquartier noch die Zentrale waren auf so etwas vorbereitet. Wenn wir jetzt zum letzten Schlag ausholen, gehört der Laden ohne große Gegenwehr uns.«
    »Da ist der Fenriswolf«, sagte eine andere Stimme. »Muss er nicht noch irgendwen fressen?«
    Ash hob den Kopf, setzte sich auf. Stöhnte. Alles tat ihr weh. Sie sehnte sich nach einem Bad und einem sehr weichen Bett, tausend Jahren Schlaf und Ohrstöpseln.
    Der Nullraum öffnete sich erneut, diesmal mit einem blendend blauen Blitz. Eine Stimme donnerte Worte, die Ash nicht verstand. Der Fenriswolf heulte laut und triumphierend auf.
    Ash stand taumelnd auf, sah sich einem Hünen gegenüber, der einen flammenden Speer schwenkte. »Verräterin«, dröhnte der Allvater. »Lügnerisches, elendes Verräterpack. Was habt ihr getan? Ihr habt alles vernichtet! Seht Yggdrasil!«
    »Afi«, schrie Ash. »Afi, nein! Du solltest nicht hier sein! Mac, rette ihn …!«
    Der Speer traf sie in die Brust und schleuderte sie rückwärts gegen Yggdrasils rauchende Reste. Ash hörte in der Ferne Lokis Aufschrei und das Heulen seines Wolfssohns, aber rund um sie war es totenstill. Sie sah im sterbenden Licht, wie der Wolf mit weiten Sätzen auf Odin zusprang, das geifersprühende Maul weit aufgerissen. Der alte Gott war waffenlos, denn Gungnir steckte tief in ihrer Brust, nagelte sie an Yggdrasils geschwärzten Stamm, saugte ihre Existenz auf und schickte sie ins Nichts. Nach diesem Tod würde es keine Rückkehr mehr für sie geben. Sie spürte, wie sie Zelle für Zelle, Atom für Atom annulliert wurde.
    Während die Nacht über sie herabfiel, hörte und sah sie noch, wie Dellinger schrie: »Wieso lebst du noch immer, du Schreckgespenst?«, während er seinen Annullator auf Odin richtete. Sie hörte, wie Odin aufbrüllte: »Dellingr? Was treibst du an diesem Ort?« Sie sah, und das war das Letzte, was sie sehen konnte, ehe das Leben vollends aus ihr heraustropfte und im Staub versickerte, dass Loki und sein Wolfssohn sich Schulter an Schulter auf Odin stürzten, Macnamara ihnen in den Weg sprang und irgendwo in der Entfernung jemand laut um Hilfe rief.
    Dann hielt die Zeit an.

8
    Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.
    N ichtexistenz .
    Eine unmessbar lange Zeit treibt es durch den gestaltlos grauen Nullraum. Ohne zu denken, ohne zu fühlen. Keine Angst, keine Hoffnung.
    Nichtexistenz. Sich der Nichtexistenz bewusst werdend.
    Es dreht sich, Nichts im Nichts, tastet mit ziellosen Energiefäden, Quantenfühlern hinaus. Sucht nach Etwas. Findet nur Nichts.
    Nichtexistenz. Erwachende Gedankenströme. Erinnerungen.
    »Ich sehe keinen anderen Weg. Er hält die Äpfel vollkommen unter Verschluss. Bisher habe ich noch nicht einmal herausfinden können, wo das ist. Wahrscheinlich ein Schließfach in der Schweiz.« Ein rothaariger Mann, narbig, finster. Vergräbt das Gesicht in den Händen. »Er benutzt mich für Handlangerarbeiten. Lässt mich seine schmutzigen kleinen Aufträge erledigen. Hier ein Diebstahl, da ein Mord. Immer die lockenden Äpfel vor meiner Nase, und ich lasse mich herumführen wie ein Karrengaul. Ich kann nicht mehr, Ash. Ich will nicht mehr.«
    Tausend Sterne. In der Nähe das Geräusch von fließendem Wasser. Ein Baum, in dessen Geäst die Sterne aufgehängt zu sein scheinen. Mildes Licht. Darin ein großer, alter Mann, der mit in den Nacken gelegtem Kopf in den Himmel schaut. »Natürlich weiß ich, wer die Äpfel genommen hat«, sagt er. »Wir alle wussten es. Aber er hat uns nur ausgelacht und geleugnet.

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