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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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mehr als einen Sommer lang auf meinen Knien gewiegt«, sagt er und berührt seine Augenklappe. »Ich habe sie immer wieder aus Midgard zu mir geholt. Ich habe gesehen, dass sie den Fall der Weltesche verhindert. Sie ist so stark wie ihre Mutter. So stark wie Brynhildr, unsere Tochter.«
    »Aber nun weilt sie bei Hel«, murmelt die alte Frau. »Wie traurig, wie traurig.«
    »Hel«, sagt der alte Mann. »Was ist heute noch Hels Reich? Staub und Moder, leere Säle. Die Toten werden andernorts gebraucht. Auch die Jungen rüsten für den letzten Kampf.« Er schüttelt den Kopf. »Was für ein Wahn treibt sie an? Ich weiß, wie das Ende aussieht. Niemand gewinnt. Aber sie glauben beide, dass sie siegen können und dass es ihnen gelingen mag, den Widersacher für immer aus ihrem Reich zu vertreiben. Dumme Jungen.«
    Sie hört ihm nur mit halber Aufmerksamkeit zu. »Ich kann mich umhören«, sagt sie. »Meine Augen und Ohren sind nicht völlig nutzlos geworden. Es gibt immer noch kleine Lebewesen, die mir gerne zu Diensten sind.« Sie blickt zur Decke auf, sucht das Spinnennetz, wechselt einen Blick mit der großen Kreuzspinne, die in seiner Mitte sitzt. Nickt ihr lächelnd zu.
    Dann steht sie auf, staubt ihren Rock ab, stemmt die Hände in die Hüften. »Was ist? Willst du jammern und dich verkriechen oder nimmst du die Herausforderung an?« Ihre blitzenden Augen, das kämpferisch gereckte Kinn, die hoch aufgerichtete Haltung zeigen den Abglanz der vergangenen Macht, wie leuchtende Wolken am Abendhimmel die untergegangene Sonne widerspiegeln.
    Der alte Mann richtet sich aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf. In ihrer Stimme liegt der Klang der Kriegshörner und der sieghafte Schrei der Walküren. Auf, Walvater, fasse Gungnir * mit fester Faust. Rüste dich, Rabengott, und sende deine Raben über das Feld. AufSleipnirs * Rücken erwarte den Ansturm, Heervater. Grimnir, sammle deinen Zorn.
    Er atmet tief und lässt die Verzagtheit hinter sich wie eine Puppenhülle. »Danke«, sagt er. »Du hast mir den Kopf wieder richtig herum auf die Schultern gesetzt.«
    Sie legt den Kopf in den Nacken und lacht, und in ihrem Lachen erkennt er die Frau, die er einst geliebt hatte. Mit einem Schritt ist er bei ihr und umfasst ihre Taille, und sie weicht nicht zurück, sondern legt ihren Arm um seinen Nacken. »Nur noch die Küchen, hm?«, flüstert sie in seinen Atem. »Dort drüben ist die Tür zu meiner Schlafkammer, Sturmauge. Wagst du es, sie zu durchschreiten?«
    »Weisest du mir den Weg, werde ich es wohl zu wagen wissen«, erwidert er und hebt sie auf seine Arme.
    »Alter Schwätzer«, sagt sie lächelnd. »Pass auf, der Durchgang ist niedrig. Nicht, dass du dir den Kopf anschlägst und ich wieder nur deine Blessuren versorgen darf.«
    Er knurrt wie ein Wolf und stößt die Tür mit dem Fuß auf. Das Feuer im Herd flackert in der Zugluft, dann schlägt die Tür zu und es ist ruhig.
    Schnee fällt vom düsteren Himmel und bedeckt die Fußstapfen vor der Tür und die blutigen Spuren der Wolfsmahlzeit. Ein Rabe krächzt und verstummt wieder.
    Am Horizont flammt ein Feuer.

6
    Von seinen Waffen weiche niemand
Einen Schritt im freien Feld:
Niemand weiß unterwegs, wie bald
Er seines Speers bedarf.
    A sh stützte sich auf ihren Lichtstab, kniff die Augen zusammen und blickte über die Ebene. Es war eins der schwereren Gefechte gewesen, das heute unter dem bleigrauen, sonnenlosen Himmel stattgefunden hatte. Sie hatte das zweifelhafte Glück, ihren ersten Kampfeinsatz immer noch vor sich zu haben und deshalb wieder einmal nur zum Aufräumen eingeteilt worden zu sein.
    Das war bisher keine allzu schwere, wenn auch eine unangenehme Arbeit gewesen. Sie musste die Leichen umdrehen, ihre Lichtstäbe und Ausrüstung einsammeln und konnte den Rest der Aufräumarbeit dann den geflügelten kleinen Dämonen überlassen.
    Aber heute lagen überall auf dem zerschründeten Grund noch Verwundete zwischen den Gefallenen, und zwischen ihnen wanderten die Weißen mit ihren Flammenschwertern herum, um nach ihren Leuten zu suchen, die das Gemetzel überlebt hatten.
    Ash reckte sich. Wenn die Obristen der Hellen das Feld verlassen hatten, waren sie und die anderen Fußsoldaten an der Reihe. Beleth hatte ihnen eingeschärft, besonders auf die vermeintlich toten Feinde zu achten, denn die Obristen übersahen gelegentlich einen Sterbenden. Und ein verwundeter Weißer war gefährlicher als eine wütende Harpyie.
    »Warum bergen sie ihre Verwundeten

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