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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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mit seinem Hieb nur gestreift hatte. Ein verwundeter Dämon konnte gefährlich werden, vor allem, wenn er befürchten musste, bei der Säuberung getötet zu werden.
    Ihr Ausbilder Beleth hatte dröhnend gelacht und nur gemeint, das würde sie lehren, nicht ohne Jacke übers Feld zu laufen. »Aye«, murmelte sie grimmig und rieb sich über den juckenden Riss. Er berührte die Tätowierung auf ihrem Handgelenk und löschte einen Buchstaben des Namens aus, der dort in ihr Fleisch gestochen war.
    Ash verlor sich in der Betrachtung des Tattoos. Zwei ineinander verschlungene Namen. Der eine, den der Kratzer verstümmelt hatte, gehörte ihr: »Ash ey«. Sie tippte mit dem Finger darauf, murmelte »Ashley. Das bin ich.«
    Der zweite Namenszug lautete »Ravi Surya«. Ash berührte ihn mit dem Fingernagel, fuhr daran entlang, kratzte leicht darüber, als wollte sie ihn zwingen, eine Erinnerung freizugeben. »Ravi«, sagte sie laut.
    Der Klang des Namens löste kein Bild aus. Ihre Erinnerung blieb dunkel und still wie ein verschlossenes, unbewohntes Zimmer. Sie seufzte und schlüpfte hastig wieder in ihre Jacke, denn über ihrem Kopf ertönte der misstönende Schrei einer Lasten-Harpyie. Ash winkte und deutete auf die aufgehäuften Ausrüstungsgegenstände.
    Die Harpyie wirbelte mit ihren kräftigen Flügelschlägen so viel Staub auf, dass Ash blinzelnd die Augen schloss. Sie hörte, wie das Wesen landete und ein paar Schritte heranhüpfte, und roch den scharfen Raubtierdunst, der von der Harpyie ausging. Ash hatte sich inzwischen an den Anblick der verschiedensten Dämonen und Zwitterwesen gewöhnt, aber die Harpyien waren so scheußlich anzusehen, dass sie es vorgezogen hätte, ihre Augen geschlossen zu halten. Aber das Wesen sprach sie an. »Das alles?«, zischte es mit einer Stimme, die Glas zersplittern lassen konnte.
    Ash zwang sich, ihr ins Gesicht zu sehen. Ein Frauengesicht. Langes, dunkles Haar. Glitzernde grüne Augen. Ein mörderischer Schnabel, ein dicker Hals und muskulöse Schultern, die genauso gut einem Türsteher oder Bodyguard gehören könnten. Volle Brüste, ein sehniger Vogelkörper, der auf kräftigen Greifklauen stand. Riesige Schwingen. Neben ihr, gerade abgesetzt, ein Transportkorb mit stabilen Henkeln, die eine Greifklaue packen konnte.
    »Das alles, ja«, erwiderte Ash unbehaglich. Sie sah das anzügliche Grinsen des Mensch-Vogelgesichtes und schluckte.
    »Also los, worauf wartest du?«, schrillte die Harpyie. »Ich hab heute noch was anderes zu tun. Hopp, kleines Wesen, an die Arbeit.« Sie lachte grell und faltete die Schwingen. Eine Welle Gestank brandete heran und verschlug Ash den Atem. Sie presste die Lippen aufeinander und beeilte sich, den Korb der Harpyie zu füllen. Je eher dieses Ding mit seiner Last wieder in der Luft war, desto besser. Ash schaufelte Lichtstäbe und Rüstungsteile von dem Stapel in den Behälter und bemühte sich, die wartende Harpyie zu ignorieren.
    Ein paar Schritte neben ihr stritten sich zwei der kleinen Dämonen um etwas, das aussah wie ein Arm. Ash war mit einem Mal so deprimiert, dass sie sich am liebsten gleich hier auf dem zerklüfteten Boden zusammengerollt hätte, die Arme um den Kopf geschlungen, um all das nicht mehr sehen zu müssen.
    Stattdessen biss sie die Zähne zusammen und warf die letzten Helme und Lichtstäbe auf den sich türmenden Berg. Der Korb war so voll, dass sie sich kaum vorstellen konnte, wie die Harpyie ihn und sich in die Luft heben sollte. Aber das Wesen sprang mit einem Schrei in die Luft, und Ash atmete endlich ein – puren Schwefel. Über ihr lachte die Harpyie, die hoch über ihr kreiste und sich dann in einen schwindelerregenden Sturzflug fallen ließ. Kurz über dem Korb warf sie sich herum, streckte die Fänge vor und packte die hochstehenden Henkel. Ein weiterer Schlag der mächtigen Schwingen und sie war wieder in der Luft. Ash sah ihr nach, wie sie im endlosen Grau verschwand. So sehr sie diese Wesen auch verabscheute, so sehr bewunderte sie die Kraft und Unbekümmertheit, mit der sie sich durch die Luft bewegten.
    Unwillkürlich spreizte sie ihre Flügel. Sie konnte damit fliegen, aber ihr fehlte es noch an Übung. Manche der Soldaten, die schon länger hier waren, hatten sich zu ebensolchen Flugkünstlern entwickelt wie die Harpyien. Aber die meisten Geflügelten ähnelten in der Luft eher übergewichtigen Hühnern. Wer die Fähigkeit besaß, wurde als Flieger für den Luftkampf eingesetzt. Ash fühlte sich am Boden wohler.

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