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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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exzellenter Flieger, Beleth hatte schon angedeutet, dass er nicht mehr lange zu den Fußsoldaten gehören würde. Gonzalo hatte sich zwar alle Mühe gegeben, seine wahren Fähigkeiten herunterzuspielen, aber der Ausbilder hatte einen scharfen Blick und einen Riecher für solche Manöver. Niemand war gerne bei den Fliegern – die Luftkämpfe gegen die Engel und ihre Pegasoi waren grausam, man hatte in der Luft keine Deckung und die Quote an Gefallenen lag deutlich höher als bei den Fußsoldaten.
    Sie spürte, wie aufsteigende warme Luft unter ihre Flügel fuhr und sie hochtrug. Wo kam diese Thermik eigentlich her? Es gab keine Sonne, die den Boden hätte aufheizen können.
    Ash dachte noch darüber nach, als sie Gonzalos Höhe erreichte. »Wo kommt die Thermik her?«, rief sie.
    Gonzalo schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich von den unterirdischen Kraftwerken.« Er deutete auf Azrael, der am Horizont in den Himmel ragte. »Wer zuerst da ist, darf sich was wünschen.« Mit diesen Worten schoss er durch die Luft davon, als hätte er einen Raketenantrieb im Rücken.
    Ash biss die Zähne zusammen und versuchte, ihm auf den Fersen zu bleiben. Die schnell wechselnden Luftströmungen zerrten und rissen an ihren Flügeln und brachten sie immer wieder ins Trudeln. Nach kurzer Zeit keuchte und pustete sie wie ein löchriger Blasebalg. Sie war es einfach nicht gewöhnt, über eine längere Strecke schnell zu fliegen.
    Gonzalo bemerkte, dass sie nicht mithalten konnte, und drehte einen Looping. Er ließ sich zu ihr zurückfallen und deutete mit dem Daumen zum Boden. »Landen«, formten seine Lippen.
    Ash nickte erschöpft und ließ sich kreiselnd zum Boden sinken.
    Sie landete aufstäubend in einem Aschefeld, in dem sie beinahe bis zu den Knöcheln versank. Das pulverfeine Zeug, das ihre Flügelschläge aufgewirbelt hatten, senkte sich langsam wieder und setzte sich dabei in ihre Haare, auf das verschwitzte Gesicht, kroch in ihre Kleider und stieg in ihre Nase. Sie nieste.
    Gonzalo landete elegant neben ihr. »Komm, ich helfe dir. Verschränk die Arme.« Er zeigte ihr, was er meinte. Ash folgte verwunderte seinen Anweisungen, er trat dicht hinter sie, sagte »Nicht erschrecken«, und packte sie unter den verschränkten Armen.
    Ash schnappte nach Luft. Sie spürte, wie er seine Schwingen ausbreitete und sich langsam mit ihr in die Luft hob. Sie stiegen empor. Ash legte den Kopf an seine Brust und ignorierte so gut es ging die gähnende Leere unter ihren Füßen, die sie jetzt plötzlich erschreckte, wo sie nicht selbst flog, sondern getragen wurde.
    »Du kannst mithelfen«, rief Gonzalo, der die Spannung in ihrem Körper richtig deutete. Sie waren hoch über dem Feld, und Ash fühlte sich so hilflos wie ein verschnürtes Paket.
    »Wie?«, fragte sie.
    »Deine Flügel«, stieß er hervor, inzwischen selbst außer Atem von der doppelten Last, die er trug.
    Ash verstand nicht, was er meinte. Sie konnte ihre Flügel nicht ausbreiten, er hielt sie fest umklammert.
    »Durch mich hindurch«, setzte er hinzu.
    Ash hätte beinahe gelacht. Sie sollte ihn aufspießen?
    »Tu's einfach!«
    Ihre Flügel materialisierten sich ohne ihr Zutun, verschwanden wieder, materialisierten sich erneut – wie ein zweites Flügelpaar in seinem Rücken. So musste es sein, denn sie spürte den Wind in den Federn, ein heftiges Zerren an ihren Rückenmuskeln, bis die Thermik ihr die Arbeit abnahm. Fliegen. Zum ersten Mal flog sie mit traumhafter Leichtigkeit, wie eins der geflügelten Pferde, mit sicheren Schlägen.
    »Hör auf damit«, lachte Gonzalo, als sie die Schwungfedern gegen den Wind anstellte und beide dadurch ins Trudeln gerieten.
    Ash jubelte über die Rolle, mit der er sie wieder auf den Luftstrom setzte. »Das ist großartig«, rief sie. »Fühlt es sich immer so an, wenn du fliegst?«
    Gonzalo küsste sie statt einer Antwort auf den Nacken. »Dort hinten ist es«, sagte er.
    Ash reckte den Hals. Azrael ragte in den Himmel wie ein Berg, nackt, muskulös, geschlechtslos. Seine Schultern streiften die tief hängenden Wolken, und sein Kopf mit dem flatternden dunklen Haar war vom Dunst verschleiert.
    In der einen Hand hielt er ein Buch, in der anderen eine riesenhafte Feder, beinahe so lang war wie ein ausgewachsener Mann. Von welchem Vogel stammten solche Federn?
    Er strich die Namen der Toten auf der weißen Seite des Lebens aus und schrieb sie neu auf die andere, die rote Seite. Unaufhörlich, ohne Pause, während er ihre Namen

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