Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
ihr her. »Du hast halluziniert!«
    Sie kreiste über der kleinen Senke. »Kümmere du dich um die Schafe«, rief sie. »Wenn ich zurückkomme, helfe ich dir.«
    Er fluchte hinter ihr her.
    Ash stieg in die Luft und flog auf den Giganten zu. Sie spürte die Turbulenzen, die an ihren Flügeln rissen wie ungezogene Hunde. Azrael stand im Staub, als stünde er schon seit Urzeiten an dieser Stelle und würde noch immer dort stehen, wenn die Welt längst untergegangen war. Gonzalo hatte recht – sie hatte sich etwas eingebildet oder geträumt.
    Sie flog trotzdem weiter. Azraels Rückseite. Sie konnte sich nicht an Azraels Rücken erinnern. Hatte er Flügel?
    Der Fallwind, der an der Flanke des Riesen herabströmte, zwang sie in eine Abwärtsbewegung, sie wich der Luftströmung aus und suchte nach einer Thermik. Ihre Flügelschläge waren sicherer geworden, bemerkte sie überrascht. Vielleicht hätte sie einfach gelegentlich über dem Lager mal ein bisschen fliegen sollen. Manche ihrer Kameraden taten das aus purer Lust an dieser Art der Fortbewegung. Sie hatte immer darauf verzichtet – wer auf seinen Flügeln zu sicher wurde, kam zu den Fliegern.
    Sie tauchte unter einem zweiten Fallwind durch und ließ sich von einem starken Thermikschlauch an Azraels Flanke emporziehen. Sie erreichte seine Schulter – keine Flügel – und begann sich auf seine Rückseite vorzuarbeiten.
    Was ist er, der verdammte Mond?, fluchte sie stumm. Die Luft schien trotz der Höhe nicht dünner, sondern eher dickflüssiger oder zäher zu werden. Schatten und Nebelfetzen zogen durch die Luft, die träge und schwer war. Das Fliegen glich immer mehr einem kräftezehrenden Schwimmen im Staub.
    Ash kämpfte sich voran. Mit jedem Meter, den sie weiter um den Koloss herum zurücklegte, wurde es dunkler und das Vorankommen schwerer. Sie konnte einen Blick auf das erhaschen, was sich hinter seinem Rücken erstreckte – es war tiefe, nachtschwarze Dunkelheit ohne Konturen, ohne einen Lichtschimmer.
    Dann musste sie aufgeben. Die Luft schien sich zu dickem Gelee zu verdichten, und ihre Flügelschläge trugen sie nicht mehr voran, sie flatterte auf der Stelle. Mit einem Schrei der Enttäuschung drehte sie ab und ließ sich zurück- und hinabfallen.
    Gonzalo kam ihr entgegen. Er sah wütend aus, aber er deutete hinauf. »Am Bizeps gibt es eine Strömung«, schrie er. »Wenn wir die erwischen, könnten wir es auf die Rückseite schaffen.« Er zog an Ash vorbei. »Warum willst du dorthin?«
    »Ich habe etwas gesehen«, erwiderte sie außer Atem und hängte sich für ein paar Flügelschläge in seinen Windschatten, ließ sich von ihm mitziehen. »Erinnerst du dich an den Staub? Ich glaube, hier könnte so etwas wie ein Ausgang sein.«
    Der Staub, der zu Azrael hinfloss. Eine strahlende, leuchtende, beängstigende Lichterscheinung. Ein Ausgang aus dem Limbus? Ein Mann, der tödlich verwundet an einem riesigen Baum hing.
    Ash zwang ihre Gedanken fort von den verstörenden Bildern und konzentrierte sich auf den erneuten Aufstieg. Ihre Muskeln brannten vor Schmerz und sie pumpte keuchend Luft in ihren Brustkorb. Blind vor Schmerz und Erschöpfung stieg sie höher und höher. Und dann waren mit einem Schlag ihre Kräfte erschöpft. Sie breitete ihre Schwingen aus, schloss die Augen und wartete auf den langen Fall zurück.
    Doch die Strömung trug sie sanft wie ein Blatt im Wind weiter. Ash öffnete die Augen und blickte sich um. Sie hatten es geschafft, sie schwebten nebeneinander hoch neben Azraels Schulter in der Luft. Ash konnte die Dunkelheit hinter seinem Rücken sehen.
    Azrael stand hoch aufgerichtet über einem Weltenfächer. Schimmernd in allen Farben des Regenbogens lagen sie wie Spielkarten unter seinen Füßen. »Gonzalo, ich hatte recht. Hier ist der Ausgang aus dem Limbus!«, sagte Ash. »Wir können dort überall hin.«
    Violett, Purpur, Blau wie der tiefe Ozean und der Sommerhimmel. Grün und Silber. Strahlendes Gold und Rot. Sonnenuntergangsocker, Braun, Schwarz. Nebelgrau und eisiges Weiß.
    »Ich glaube es nicht«, hörte sie Gonzalo ausrufen. »Ash, das kann nicht sein. Sie würden einen Ausgang ganz sicher scharf bewachen!«
    Sie hörte ihm nicht zu. Hier irgendwo musste der Baum sein und der Mann, der aufgespießt an seinem Stamm hing. Sie beugte sich vor, starrte in die Dunkelheit, hörte Gonzalo aufschreien. »Ash, du fällst!«
    Mit ihrer Bewegung geriet sie aus der Strömung, in der sie schwebte. Ash taumelte und begann abzustürzen. Sie

Weitere Kostenlose Bücher