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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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neuen Domizil«, sagte er feierlich und drückte auf den Lichtschalter. Flackernd und summend sprang eine Neonröhre an. »Ah, die Heizung leckt immer noch. Verdammt!«
    Ein leiser Chor summte durch die Lüfte: »Γένοιτο!« Murgatroyd vollführte eine nachlässige Geste, indem er den Daumen und den kleinen Finger abspreizte, und wischte dann mit der gleichen Hand über den Schreibtisch, der in der Mitte des kleinen Zimmers stand. »Staubig«, sagte er betrübt. »Es tut mir leid, Ash, aber hier ist anscheinend schon länger nicht mehr sauber gemacht worden. Ich werde Eldur bitten, dir jemanden zu schicken, der das in Ordnung bringt.«
    »Ist schon okay«, sagte Ash erschöpft. »Es stört mich nicht.« Sie setzte sich auf den quietschenden Drehstuhl, lehnte sich zurück und betrachtete düster das kleine Büro, das ebenso düster zurückblickte. Murgatroyd verließ den Raum, aber sie registrierte es nicht. Ich muss hier raus, dachte sie. Verdammt und zugenäht, verflucht und dreimal ausgespuckt – ich muss hier raus!
    Γένοιτο , sang der Chor. So sei es!

12
    Was suchst du? Auf welcher Suche bist du?
Was willst du Heilloser hier?
    L eise plätschert das Wasser in Mimirs Brunnen. Der Wanderer sitzt auf den rauen Steinen des gemauerten Randes. Er hat seinen Hut abgenommen, sich des Mantels entledigt und seinen Stab gegen die Umfassung gelehnt. Die übermannshohe Wurzel Yggdrasils ragt wie eine rissige Mauer neben ihm auf und spendet kühlen Schatten.
    Der Wanderer beugt sich vor und taucht seine Hände in das eiskalte Wasser. Er sieht in den Brunnen, sucht nach dem Grund, aber die Dunkelheit der unergründlichen Tiefe verschluckt seinen Blick. Er beugt sich noch weiter hinab, und der Blick seines Auges trifft den Blick seines Auges. Er runzelt die Stirn, ist nach all den Zeiten und Aberzeiten immer noch verwirrt, wenn er sich hier im Spiegel des Mimisbrunnens selbst begegnet.
    »Weisheit und Erkenntnis«, sagt er laut. »Dir hat es nicht geholfen, Mimir, du Weisester unter Yggdrasils weitem Schirm.«
    Das Haupt des Riesen lacht. Er bewegt die Augen, streckt die Zunge heraus. »Manchmal vermisse ich meine Hände«, sagt er mit erstickt klingender Stimme. »Mein Junge, wenn du so gut wärst, mich an der Nase zu kratzen? Ich glaube, dort sitzt eine Fliege.«
    Der Wanderer neigt sich zu ihm und wischt dem Riesenhaupt mit behutsamer Hand über die runzlige Haut. »Besser?«, fragt er.
    »Danke.« Der Riese seufzt. »Du quälst dich, junger Ase. Warum? Der Lauf der Welt verändert sich nicht, nur weil du es dir wünschst. Viele, viele Sonnen und Monde sind über Yggdrasil aufgestiegen und wieder versunken. Midgard ist gewachsen, die acht Welten sind verkümmert. So ist es nun einmal. Du drehst den Lauf der Welt nicht mehr zurück. Keiner von uns kann das tun. Du erinnerst dich an den Kampf mit der alten Riesin, den dein Junge, der mit dem Hammer, so schmählich verloren hat?«
    Der Wanderer nickt. Natürlich erinnert er sich. Thor war danach lange Zeit sehr übellaunig gewesen.
    »Das Alter«, murmelt Mimir. »Niemand besiegt die Zeit, Odin. Auch du nicht.«
    Der Wanderer stützt sich auf den Rand des Brunnens, wagt einen zweiten Blick ins Wasser. Wieder trifft ihn der starre Blick seines Auges in der Mitte des Brunnens. Er wendet hastig den Kopf. »Ich bin nicht so verblendet, mich mit der Zeit selbst messen zu wollen«, sagt er. »Aber sie ist es nicht, die mir Sorgen bereitet. Mimir, Bruder meiner Mutter, Weisester von uns allen: Wer ist es, der Ragnarök herbeizwingen will?«
    Das Riesenhaupt, dessen Lider halb vor die trüben Augen gesunken sind, bewegt schmatzend die trockenen Lippen, leckt sich darüber. »Gib mir zu trinken, junger Gott.«
    Der Wanderer lacht. »Jung war ich einmal, alter Riese. Ich bin grau und faltig und kraftlos wie ein hilflos sabbernder Alter, den seine Enkel mit dem Löffel füttern müssen.« Er beugt sich zum Wasser und schöpft in der Schale seiner Hände von dem kalten Nass, vermeidet dabei den Blick in die schwarze Tiefe, in der sein Auge schwimmt.
    Als er sich zu Mimir wendet und ihm das Wasser an die Lippen hält, betrachtet der ihn mit lächelndem Spott. »Ein hilfloser Greis, zittrig und schwach, kaum noch in der Lage, sich voranzuschleppen, ich sehe es.« Mimir lacht, trinkt und hustet. »Meine Lungen vermisse ich auch«, sagt er grämlich. »Verfluchtes Wanenpack.«
    Sie schweigen. Dann seufzt der Riese, seine Augenlider flattern und sinken herab. »Ragnarök«,

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