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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sich, wendet sich ab und geht davon.
    Die Weltesche wirft ihren Schatten über seinen Weg. Er schreitet voran, auf seinen Speer gestützt, mit grimmiger Miene.Der Weg windet sich unter seinem Schritt, fliegt unter ihm dahin, und doch bleibt Yggdrasil zu seiner Rechten, hochaufragend und mächtig. Sie breitet ihre Äste über seinem Kopf in den Himmel, Hugin * und Munin fliegen durch ihr Gezweig, die Wölfe springen zu des Wanderers Füßen über Wurzelwerk und Steine, mal voraus, mal hinter ihm her.
    Schatten fallen über seinen Weg. Abendsonne rötet das Laub. Wieder rauscht Wasser, eine Quelle, ein runder Teich, Schwäne ziehen auf ihm ihre Kreise.
    Der Wanderer verharrt, nimmt das Bild in sich auf. Es ist nicht vollständig. Wo sind die dunklen Wächterinnen der Quelle, wo sind die stummen Hüterinnen des Brunnens? Wo sind sie, die Schicksalsfrauen, die drei Töchter der Wala?
    Er ruft leise den Namen der Ältesten: »Urd«. Eine Taube wiederholt gurrend den Ruf.
    Er nähert sich demUrdbrunnen * . Still liegt das Wasser in Yggdrasils Schatten. Der Wanderer kniet am Uferrand nieder und netzt seine Hände, kühlt sein Gesicht. Tropfen laufen über seine Lippen, er leckt sie auf und schließt das Auge. Vergangenes wird Gegenwart. Baldur, der Goldene, lacht und hebt die Hände, dann trifft ihn des blinden Bruders Pfeil. Der Lügengott lauert im Schatten, sein Lächeln so scharf wie ein im Mantel verborgener Dolch.
    Der Wanderer stöhnt und öffnet sein Auge. »Das ist vergangen«, sagt er laut. »Vergangen, vergessen, ver…« Doch die Vergebung will seine Lippen nicht überschreiten.
    Er senkt den Kopf zum Wasser, trinkt daraus wie ein verdurstender Wolf. Die Erinnerungen strecken ihn nieder. Er liegt am Ufer der Quelle, das Auge, weit geöffnet, blickt in Yggdrasils Krone. Er kann kein Glied regen, will es auch nicht. Sein Atem geht flach, schnell und hechelnd, als wäre er tödlich getroffen. Bilder stürmen seinen Geist, schmerzhaft auch die, die frohe Erinnerung bergen.
    In Asgards Mauern, lichtdurchflutet, gebettet in Yggdrasils Geäst, schreiten hellgewandet die Asen, Geschöpfe aus Sonnenlicht und Sternenglanz. Ungestüm messen sich Odins Kinder im spielerischen Kampf. Idun, die Hüterin der goldenen Äpfel, schenkt ihnen ewige Jugend. Nichts kann die Freude trüben, zu sein, zu wandeln, zu lachen, zu lieben. Der Morgen der Götter dauert ewig.
    Allvater – ungestüm. Jäh erzürnt, aufbrausend wie der Brodelkessel tief unten im nebligen Dunst. Kampflustig, hitzköpfig, rachsüchtig, voller Zorn.
    Er sucht nach Weisheit, verlangt nach Wissen, ahnt das Ende, sieht den Fall. Dichter und Krieger, zaubermächtig und wortgewaltig. Sturmauge, Siegvater, Wunschherr, Vielgeschwind. Wanderer durch die neun Welten, Hängegott um des Runenwissens Willen. Er vermag den Anfängen seines Endes nicht zu wehren.
    Sieht ihn fallen, Baldur, den Sohn. Sieht sie schwinden, Idun, die Goldene. Sieht sich selbst, verschlungen durch Lokis wilden Spross. Sieht das Ende, sieht es und kann es nicht wenden.
    Er stöhnt, krallt die Hände in den weichen Grund des Ufers. Sein Auge starrt blind zum Wipfel empor.
    Der Rote, der Flammende, der Lodernde, der Wandler, der Lügnerische. Verrat und Mord in den flackernden Augen.
    Loki ist an seiner Seite, wenn es gilt, einen Betrug auszuhecken. Er steht neben ihm, lügt mit leichter Zunge, stiehlt, was Odin ihm zu entwenden weist, und sei es Brisingamen, Freyjas goldglänzender Schmuck, und was ihn selbst zu stehlen gelüstet, wie Sifs goldenes Haar. Betrügt Thursen und Jöten * , Zwerge und Alfen, springt lachend und leichtfüßig davon, wenn Unbill ihm droht. Zerreißt seine Lippen, die Brokk ihm mit eiserner Nadel zusammennäht, und lacht und schwört Rache. Loki, Lügengott. Fisch, Falke und Fliege, Riese und Ase, Mann und Weib. Vater der schrecklichen Hel, Mutter des schnellen Sleipnir, der Walvater sicher auf acht Beinen durch jedes Gefecht trägt.
    Der Wanderer liegt starr im eigenen Schweiß, die Zähne gebleckt, die Glieder erstarrt. Hels grässliches Lächeln, das ewige Winden der schrecklichen Midgardschlange, das Heulen des Fenriswolfs. Die Kinder des Luftgotts, des Lügenschmieds, des Feuerteufels bedeuten das Ende der Götter. Warum sucht er nach fremden Feinden, die unsichtbar, gesichtslos und ohne Grund auf die Vernichtung des Allvaters sinnen? Er kennt seine Feinde, kennt sie seit Anbeginn. Er weiß, wer das Ende der Asen betreibt, seit Baldur durch ihn an Hels düsteren Tisch

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