Projekt Atlantis
daher werden wir mit dem Dingi hierhin fahren und dort den Einstieg vornehmen.« Nun zeigten sich mehrere farbige Linien auf der Karte. »Den ersten Tauchgang unternehmen Keith und Susan. Mario, du begleitest sie und dokumentierst mit der Kamera. An dieser Stelle hier wird Chad warten und euch das zweite Set Flaschen runterlassen. Danach fährt er zum Ende der Straße, um euch in diesem Gebiet wieder an Bord zu holen.«
Die Angesprochenen nickten. Patrick sah zur Seite und musterte sie. Besonders an Susan blieb sein Blick hängen. Sie war sehr jung und sah gar nicht sonderlich sportlich aus. Vielleicht lag es an ihrem übergroßen Pullover. Er hätte sie auf der Straße spontan für eine Verkäuferin im Bio-Laden gehalten. Er legte den Kopf schief. Wie leicht es immer wieder fiel, Menschen nach dem Äußeren zu beurteilen. Dabei verstand sie vermutlich ihr Handwerk, sonst hätte der Kapitän sie nicht ausgewählt. Susan bemerkte, dass der Franzose sie taxierte, und nickte ihm zu. Offenbar hatte er keinen allzu geringschätzigen Gesichtsausdruck gehabt, oder sie ließ es sich nicht anmerken. Patrick nahm sich vor, sich mehr zurückzuhalten. Vor einigen Jahren war es ihm vollkommen egal gewesen, was andere von ihm dachten, und in seiner Meinung hatte er sich stets alle Bewertungen erlaubt. Noch immer brach es manchmal aus ihm heraus, wie bei diesem vorlauten Journalisten. Aber in den letzten Jahren hatte er sich verändert, nicht zuletzt durch die Projekte mit dem Professor. Nachdem er sich zunehmend mit Fragen nach den Ursprüngen des Seins beschäftigt hatte, nach dem Sinn des Daseins, hatte er auch einen anderen Blick auf die kleinen Dinge bekommen. Er schmunzelte über sich selbst und fragte sich, ob es wirklich nur mit seinem Erlebnis in der Höhle damals in Südfrankreich zusammenhing.
Und nun suchte Peter Atlantis. Eine wahnwitzige Idee. Der Professor hatte ihm in Hamburg eine Kopie von Platons Dialog gegeben, und in den folgenden Wochen hatten sie das Projekt geplant. Patrick hatte dies alles unter der Prämisse getan, es sei ein reguläres archäologisches Projekt, das sich auf geschichtliche Fakten berief. Tatsächlich war dem natürlich nicht so, und obwohl auch Patrick schon so abenteuerlich scheinende Projekte wie die Suche nach Eldorado angezettelt hatte, war Atlantis eine völlig andere Größenordnung. Ein Unternehmen, das selbst ihm, dem risikofreudigen Abenteurer, schlicht lächerlich vorkommen musste. Dennoch... Etwas war da. Er spürte es wie eine tief vergrabene Erinnerung, wie ein Wort, das einem auf der Zunge lag. Er suchte keine wissenschaftliche Anerkennung, die Peter zum Ende seiner Karriere wichtig geworden zu sein schien, Patrick suchte auch keine Schätze, vermutete nicht einmal, etwas anderes als höchstens alte Steine zu finden. Patrick wusste nicht, auf was sie stoßen würden, aber er spürte, dass sie sich etwas Großem näherten. Vielleicht war es kein Gegenstand, kein Fund, vielleicht war es etwas Virtuelles, ein Ereignis, eine Erkenntnis. Er musste plötzlich an Melissa denken, die er in Ägypten kennengelernt hatte. Sie war der Ansicht gewesen, dass er eine Art Sehergabe besaß, was auch immer man sich unter solchem esoterischen Quatsch vorstellen sollte. Vielleicht nicht mehr als ein besonders gutes Gedächtnis, eine außergewöhnliche Auffassungsgabe oder einen herausragenden Instinkt. In jedem Fall ahnte er aber, was sie gemeint hatte. Patrick zuckte mit den Schultern. Melissa hatte ihm und dem Professor in ihrem Abschiedsbrief ein Leben in interessanten Zeiten gewünscht... und nichts anderes geschah gerade.
»Ich tauche mit«, sagte er unvermittelt.
»Wie bitte?« Der Kapitän sah ihn fragend an, und die Crew drehte sich geschlossen zu ihm herum.
»Sie können nicht mittauchen!«, sagte Peter.
»Klar kann ich. Ich habe seit zehn Jahren einen Tauchschein und rund vierzig Tauchgänge im Log. Und Strömungstauchen habe ich im Mittelmeer auch schon gemacht. Einen zusätzlichen Anzug werden Sie wohl noch an Bord haben, oder?«
»Ich halte das wirklich für keine gute Idee«, wiederholte der Professor. »Ich benötige Sie im Projekt. Was, wenn Ihnen etwas zustößt?«
»Was soll denn schon passieren? Zwölf Meter ist eine Kleinigkeit. Außerdem tauche ich ja nicht allein.«
»Von mir aus ist es kein Problem«, sagte Keith, einer der Taucher. »Wir können auf ihn aufpassen. Und zu dritt decken wir das Gebiet sogar noch viel besser ab.«
John zuckte mit den Schultern. »Ich
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