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Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht

Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht

Titel: Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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unberührt -und wollte weggehen.
    Verzweifelt fragte Iridium: »Vermisst du ihn denn nicht?«
    Jet blieb stehen. Unter äußerster Anstrengung presste sie hervor: »Nein.« Dann stellte sie das Tablett an der Rückgabestation ab und verließ die Kantine.
    Iridium sank auf ihren Stuhl und begann zu weinen. Aus ihren Augen sprudelten all die Tränen, die sich während der Zeit an der Akademie in ihr aufgestaut hatten. Egal, wie weh etwas tat, sie weinte nie. Niemals. Aber diesmal spürte sie eine andere Art von Schmerz, eine von der heimtückischen, flüchtigen Sorte. Dagegen besaß sie keinen Schutz.
    Wenn ein Superheld zu sein das bedeutete, dann wollte sie keiner sein.



KAPITEL 36
    JET
     
    Die Everyman Society ist der wortgewaltigste Gegner der Schwadron. Diese Gruppe von Aktivisten, die sich für das Recht der Menschen auf Vorherrschaft einsetzt, behauptet, in der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada eine Zustimmungsrate von 48 % zu haben. Wenn man ihrer Statistik glaubt, sind mehr als 39 % der Bürger von Groß-Amerika Mitglied der Everyman Society oder haben zumindest Verwandte, die zu den Mitgliedern gehören. Diese Tatsache muss für Corp ernüchternd sein.
    Lynda Kidder, »Die Everyman-Misere« New Chicago Tribüne, 10. September 2112
     
    Langsam gingen sie unter der Stadt dahin, Moore vorneweg, Jet hinter ihm. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Tunnel des Rattennetzwerks. Um sie herum nichts außer Finsternis, die sich in feuchte Schatten zurückzog. Ihrer runden Form nach zu schließen, waren die Durchgänge vielleicht einmal mit Plastik ausgekleidet worden oder mit Stahl. Jetzt gab es dort nur noch vom Wasser ausgewaschene Schwärze, auf der Schimmel und Fäulnis wucherten. In dem beißenden Gestank, den ungeklärte Abwässer, Schmutz und Verwesung verbreiteten, glich das Atmen einer sportlichen Höchstleistung. Geräusche wurden gleichzeitig verstärkt und gedämpft und überlagerten das weiße Rauschen in Jets Comlink. Ihre Ohren füllten sich mit dem fortwährenden Tapp-Tapp-Tapp ihrer Schritte und dem stetigen Tröpfeln von unsichtbarem Wasser, ab und an unterbrochen von geschäftigem Brummen über ihren Köpfen. Wahrscheinlich kam es vom frühmorgendlichen Verkehr in den Straßen New Chicagos.
    Ehrlich gesagt, läge Jet jetzt lieber in ihrem Bett. Oder gemütlich eingekuschelt in ihrem Schaukelstuhl, in der Hand einen Liebesroman. Oder neben ihrem neuen Runner, mit dem sie etwas ganz und gar Unangebrachtes tat.
    Die Abflussrohre, dachte sie missmutig. Es musste die Kanalisation sein, oder? Warum eigentlich wurden Geiseln, mit denen Lösegeld erpresst oder die gefoltert werden sollten, niemals in Penthouse-Wohnungen festgehalten?
    Sie platschten durch den Schlamm weiter vorwärts. Jet versuchte, nicht daran zu denken, welche Krankheiten dort unten im Wasser wohl lauern mochten. Moore trug einen Leuchtstab vor sich her wie eine heilige Reliquie. Jet sah auch so gut genug. Ein Vorteil ihrer Optibrille. Die konnte allerdings wenig gegen die Stimmen ausrichten. Selbst jetzt versuchten sie, sich in ihrem Kopf breitzumachen, warteten darauf, dass sie unvorsichtig wurde. Doch sogar hier sonderte das Comlink sein weißes Brummen ab. Die Stimmen konnten ihr nichts anhaben. Nicht einmal hier unten, in der Abfallgrube der Welt.
    Die Lippen fest zusammengepresst, marschierte sie weiter und tat so, als hätte sie keine Angst.
    Du bist leicht zu erschrecken, zischelte Iridiums Stimme.
    Was die Finsternis betraf? Oh ja. Sie wusste, was sich in der Dunkelheit herumtrieb. Und es hatte Zähne.
    Aber sie war eine Heldin, verflucht noch mal. Also ging sie weiter.
    Mehr, um sich von der flüsternden Bedrohung, die überall um sie herum lauerte, abzulenken als aus dem Wunsch nach einem echten Gespräch heraus fragte sie: »Sie glauben also, ich bin eine wandelnde Zeitbombe?«
    Falls Moore etwas erwiderte, konnte sie es im Hall ihrer Schritte und in dem langsamen, nervtötenden Tröpfeln des Wassers nicht hören. Vielleicht hatte aber auch der Gestank, der ekelhaft genug war, um als eigenständige Lebensform durchzugehen, die Antwort verschluckt. Ihre Nasenflügel flatterten, als sie scharf ausatmete. Zur Hölle aber auch! Wenn sie Kidder erst einmal hier herausgeholt hatten, würde sie ihr Kostüm verbrennen müssen. Und wahrscheinlich auch den Umhang und die Kapuze. Vielleicht wäre ja auch Bruce ein Schatz und würde das ganze Zeug in die Trockenreinigung bringen.
    Bruce. Ach ja …
    Sie

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