Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
mussten sie so fest im Griff haben, weil sie die Gefährlichste von uns allen ist.«
Sie lächelte Boxer an und schob ihren Stuhl vom Tisch zurück. Dann ging sie hinüber zu den großen Fenstern und richtete ihren Blick auf die Silhouette der Stadt, die im Feuer des Sonnenuntergangs glühte.
»Alles braucht seine Zeit, Boxer. Ich verspreche es dir, früher oder später wird Jet eine von uns sein.«
JET
»So, das wäre dann alles«, sagte Meteorite und nippte an ihrem Milchkaffee.
Jet presste die Lippen zusammen und rührte in ihrem Tee. Earl Grey. »Wann musst du zurück sein?«
»In einer Stunde.« Meteorite bellte ein Lachen. »Als ob das genügen würde, um mich mal richtig auszuschlafen.«
Jet hatte sie heute Morgen angerufen und um ein Treffen in der Einkaufspassage gebeten. Die andere Frau war vollkommen gestresst gewesen, total verstört. Sie hatte fast dreißig Stunden lang ununterbrochen an der Schadensbegrenzung gearbeitet. Zu verhindern, dass die Medien Wind bekamen von dem Angriff auf die Akademie und den Mitgliedern der Schwadron, die im Rattennetzwerk festsaßen, war eine wahre Herkulesaufgabe gewesen. Und es war noch immer nicht vollständig erledigt. Der blanke Wahnsinn sei es gewesen, hatte Meteorite erzählt. Keine Zeit, die Dinge aufzuklären. Keine Zeit, Fragen zu stellen. Wie zum Beispiel die, was zum Teufel eigentlich überhaupt passiert war.
Und das alles, noch bevor Meteorite die Videobotschaft von Polizeikommissar Wagner verbreitete. Der erklärte, er hätte einen bewusstlosen Night vor sich und den offiziellen Bericht eines Söldners darüber, wie die Schattenmacht versucht hatte, die Welt zu zerstören. »Und da«, sagte Meteorite, »brach die Hölle los.«
Jet verstand vollkommen.
Sie würde jetzt immer noch wie angekettet vor ihrem Computer sitzen, sagte Meteorite, wenn Frostbite nicht gewesen wäre. Mit Hilfe seiner eigenen kleinen elektronischen Zaubertricks hatte er ihr zumindest eine zweistündige Pause verschafft. Ihr gesagt, sie solle ein wenig schlafen. Stattdessen war sie hierhergekommen, um Jet zu treffen. »Ich will doch schließlich wissen, warum du über eine Verbindung angerufen hast, die nicht für jeden zugänglich ist. Und warum du dich privat mit mir an einem öffentlichen Ort treffen wolltest«, sagte sie zu Jet, als sie ankam.
Also spendierte Jet ihr einen Kaffee. Dann erzählte sie ihr eine Geschichte von einer Organisation, die mit Hilfe von Gehirnwäsche Außermenschliche zu Superhelden mit Akademie-Abschluss machte. Sie erwähnte nicht den Namen der Organisation – das konnte sie einfach nicht. Aber sie brachte den Kern der Botschaft an die Frau.
Nachdem ihr das wahre Ausmaß dessen, was Jet da sagte, bewusst geworden war, stieß Meteorite zahllose Flüche in verschiedenen Sprachen gegen Corp aus.
Und Jet – verflucht aber auch! – zuckte bei jedem einzelnen von ihnen zusammen und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht die Organisation zu verteidigen, die zehn Jahre lang ihren Geist kontrolliert hatte.
Dann, als ob sie Jet für alles entschädigen wollte, was Corp ihr und den anderen angetan hatte, erzählte ihr Meteorite, was nach der Lahmlegung von Ops geschehen war.
Einfach gesagt: Chaos.
»Die Schwadron hat es irgendwie geschafft, aus der Kanalisation zu entkommen. Die Hälfte von denen, die unten waren, tickten fast auf der Stelle aus und benahmen sich wie Abtrünnige. Die andere Hälfte stand völlig verwirrt da und wusste überhaupt nicht mehr, was sie tun sollte. Nur ganze drei von ihnen verhielten sich noch wie echte Helden, nachdem sie die liebenswürdigen Einflüsterungen von Corp nicht mehr in ihren Köpfen hörten.« Bei den letzten Worten schlich sich ein verbitterter Ton in Meteorites Stimme.
Jet blieb ganz ruhig. Sie nahm jedes einzelne von Meteorites Worten tief in sich auf. Von der ganzen Schwadron, von Hunderten von aktiven Helden, waren nur drei ihrer Rolle treu geblieben.
Und die anderen? Waren die bloß berechtigterweise verärgert darüber, wie Corp sie ihr ganzes Leben lang manipuliert hatte? Oder folgten sie jetzt einfach nur ihrer wahren Natur? Wollten etwas ausleben, wozu sie vorher keinerlei Möglichkeit gehabt hatten?
Die Stimme von Martin Moore wisperte in ihrem Kopf: Wie viele Außermenschliche braucht man, um die Welt zu beherrschen? Und um die Menschheit auszurotten?
Damals hatte Jet verächtlich geschnaubt und behauptet, Helden würden so etwas nicht tun.
Moores Worte, wehmütig und erschreckend
Weitere Kostenlose Bücher