Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
grünlicher Schimmer erhellte ihr Schlafzimmer und bildete einen sanften Kontrast zu der Neonbeleuchtung im Lagerhaus.
Nur noch mit ihrer einfachen weißen Unterwäsche bekleidet, löste Iridium ihr Haar. Es fiel in schwarzen Wellen nach unten und berührte ihre Schulterblätter. Ihre Locken starrten vor Schweiß und Schmutz. Iridium betrachtete sich in dem Spiegel über der Kommode. Ihre Fingerspitzen betasteten die fünf Zentimeter lange, faltige Narbe auf ihrem Brustbein. Corp hatte ihr angeboten, sie entfernen zu lassen, sobald sie erwachsen war und in den aktiven Dienst trat. Narbige Heldinnen ließen sich nicht so gut vermarkten.
Sie hatte genau beschrieben, wohin die sich die Operation stecken konnten. Sie hatte auch noch andere Narben – am unteren Rücken zum Beispiel, von einem Krallenmesser. Die hatte ihr der Anführer einer Motorrad-Gang in Little Shinjuku beigebracht, dem es nicht passte, dass eine Abtrünnige in seinem Revier wilderte. Die blasse Linie, die quer über ihre Fingerknöchel verlief, hatte sie, seitdem sie mit sechs von einem Schwebemobil gefallen und ihre Hand über den Fußweg geschleift worden war.
Ihre Gedanken sprangen zurück zu jenem Tag: Ihr Vater trug sie ins Haus. Während sich ihre Mutter die ganze Zeit auf die Lippen biss und sich um ihren Teppich sorgte, klebte er ihr ein desinfizierendes Pflaster auf die Hand und hielt sie ganz fest, als sie weinte. Der Verband kam ihr schlimmer vor als die Wunde selbst, die inzwischen fast vollständig verheilt war.
Taser klopfte gegen die Glastür. »Hey, lebst du noch?«
Iridium griff schnell ein T-Shirt und ein Paar Baumwollhosen aus der Schublade und zog sich an. »Und, hast du alles genau untersucht?«
Taser schob die Tür zur Seite. »Keine Fallen oder versteckte Sprengsätze. Ich bin enttäuscht, Darling.«
»Wenn du mich das nächste Mal besuchst, werde ich Wandleuchter haben, aus denen Gas strömt. Und eine Grube mit lebenden Tigern. Versprochen.«
»Ich habe mich gefragt«, sagte Taser und folgte Iridium zu der rechteckigen, mit Matten belegten Fläche, die ihr als Trainingsecke diente, »was genau wir eigentlich planen.«
Iridium zuckte die Schultern. Dann holte sie aus und versetzte dem schweren Punchingsack einen Übungsschlag. »Ich bin mir noch nicht sicher, aber es wird etwas Großes. Etwas öffentliches. Und sehr unangenehm.«
Taser brachte den Punchingsack mit einem Arm zum Stillstand. »Entspannst du eigentlich auch irgendwann mal?«
Iridium starrte ihn an. »Von einem maskierten, selbst ernannten Ordnungshüter verfolgt zu werden, trägt nicht gerade zur Entspannung bei.«
»Was machst du, wenn du einfach nur Spaß haben willst?«, fragte er. »Hast du überhaupt jemals welchen?«
Könnte sie jetzt Tasers Gesicht sehen, so dachte sie, zeigte es bestimmt dieses ölige Lächeln, das Helden wie Lady Killer immer aufsetzten, wann immer sie eine Kamera in der Nähe wussten.
»Bist du hier, um mir zu helfen, Taser, oder um mich anzugraben?«
»Gibt’s ein Gesetz, das verbietet, beides gleichzeitig zu tun?« Unter seiner Gesichtsmaske zeichneten sich Lachfalten ab.
Sie musterte ihn einen Augenblick lang, dann erwiderte sie: »Wenn ich nicht schlafe, verbringe ich die meiste Zeit damit, über die Schulter zu sehen, ob sich nicht irgendein Held heranschleicht, der mich des Ruhmes wegen und um 15 Sekunden lang sein Bild in den Abendnachrichten zu bewundern ausliefern will. Die restliche Zeit über versuche ich, Wreck City davor zu bewahren, zu einem Slum zu werden, so wie die anderen überfluteten Bezirke. Ich halte die Gangs davon ab, Wreck City niederzubrennen, und ich halte die Cops davon ab, es auszubluten. Deshalb geht es Wreck City immer noch ein bisschen besser als anderen Stadtteilen. Alles, was ich mir nehme – bis auf das, was ich für mich selbst brauche –, fließt entweder zurück nach Wreck City, oder ich besteche damit die Gefängnisleitung von Blackbird, um zu verhindern, dass sie meinem Vater zu viele Drogen geben oder ihn foltern.« Sie feuerte eine Strobokugel auf den Punchingsack ab. Aus dem Loch, das er hineinbrannte, rieselte Sand. »Nein, Taser, mein Leben besteht nicht aus netten Ausflügen auf die Dächer der Stadt. Und auch nicht aus Adrenalinkicks, wenn ich mich anziehe, um unter den Augen von Corp meinen Geschäften nachzugehen. Mein Leben ist hart. Zu hart. Das verdanke ich Corp, und es ist an der Zeit, es denen heimzuzahlen.«
Taser hob beschwichtigend die Hände. »Iri, ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher