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Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht

Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht

Titel: Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge
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und werden Atheisten. Aber Sie nicht.«
    »Ich nicht.«
    Der Rabbi schien seine nächsten Worte sorgfältig abzuwägen. »Menschen tun manchmal böse Dinge. Das heißt aber nicht, dass sie an sich böse sind.«
    »Nein«, erwiderte Jet. »Sie entscheiden sich einfach, es zu sein.«
    »Einige, ja. Und das ist eine Tragödie.« Er stellte seine Tasse ab. Dann sah er ihr in die Augen und lächelte stolz. Für einen Moment erinnerte er Jet an Lynda Kidders Vater auf dem Foto. »Aber andere«, sagte er, »andere haben wundersame Gaben. Und sie entscheiden sich, sie zu nutzen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.«
    »Natürlich«, gab Jet überrascht zurück. »Das ist es, was wir tun.«
    Er streckte beide Arme aus und nahm ihre behandschuhte Hand fest in seine bloßen Hände. »Nein, Jet. Es ist das, was Sie tun. Man hat immer die Wahl. Und ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich entschieden haben, uns allen zu helfen.«
    Seine Worte berührten sie und linderten einen Schmerz, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass sie ihn fühlte. Das hier war nicht das Gleiche wie die fast hirnlose Hingabe ihrer Fans, die Jubelschreie von Tausenden, die sich niemals wirklich nahe an sie herantrauten. Das war der aufrichtige Dank eines einzelnen Menschen.
    Tränen brannten in ihren Augen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dann entzog sie ihre Hand sanft seinem Griff. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir.«
    »Ich nenne die Dinge gerne beim Namen«, entgegnete er mit einem erneuten Augenzwinkern.
    Und in diesem Moment wurde ihr klar, was sie tun musste. Plötzlich konnte sie wieder atmen. Ihre Kopfschmerzen verschwanden, und sie lächelte.
    Während der nächsten Viertelstunde unterhielten sie sich über alles Mögliche. Vor allem über Bücher. Aber auch über die Stadt und über das Wesen von Gut und Böse. Dann musste sie gehen. Zum Abschied lud Rabbi Cohn sie ein, jederzeit wiederzukommen, wenn sie reden wollte. Als sie sein Büro verließ, dachte Jet daran, vielleicht eines Tages sein Angebot sogar anzunehmen.
    Jetzt aber, dachte sie, während sie hoch über New Chicago dahinflog, musste sie erst einmal etwas anderes erledigen. Jet holte tief Luft und tippte an ihr Comlink.
    »Operations?«
    »Frostbite, hier ist Jet.«
    Er schnalzte mit der Zunge. »Was gibt es denn jetzt schon wieder? Brauchst du vielleicht einen Runner, der dich massiert, nach all den Schlägen, die du gestern einstecken musstest?«
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    Während der folgenden Pause wurde die Luft zwischen ihnen so dick, dass man damit einen Elefanten hätte ersticken können.
    Als Frostbite sich schließlich wieder meldete, lag Wut in seiner Stimme. »Was du nicht sagst. Lass mich raten: Du willst Iri einfangen und in die Therapie bringen.«
    »Nein. Die Sache hat nichts mit ihr zu tun.«
    »Ach, so wie damals. Da hattest du auch nichts damit zu tun, dass sie auf die Liste der meistgesuchten Verbrecher gesetzt wurde.«
    »Denk, was du willst«, sagte Jet verkniffen. »Aber daran war Iridium selbst schuld.«
    »Soso.«
    Jet fielen die Worte des Rabbis wieder ein. »Es war ihre eigene Entscheidung, Frostbite. Genauso, wie es jetzt deine Entscheidung ist, ob du mir helfen willst.«
    »Warum sollte ich das tun? Damit du mich genauso verraten kannst?«
    Wut kochte in ihr hoch. Kalte, unversöhnliche Wut. Jet zitterte, und um ihre Faust herum bildete sich ein schwarzer Strahlenkranz.
    Ruhig. Bleib ganz ruhig.
    Die schwarze Aura verschwand und hinterließ einen Schmerz hinter ihren Augen. »Hilf mir, weil du immer noch ein Held bist. Und Helden helfen einander.«
    »Leck mich!«
    Jet schloss die Augen. »Aha. Dieses Liedchen singst du also.«
    Die Worte hinterließen einen faden Nachgeschmack auf ihrer Zunge. Wie lange war es her, seit sie und Iridium, Frostbite und Samson sich diesen Geheimcode ausgedacht hatten, den sie Kanarienvogel-Code nannten? Eine Erinnerung blitzte auf. Sie war wieder im dritten Jahr, im Lesesaal der Akademie. Sie und Iri kicherten, weil Sam mit Spuckekügelchen auf Hornblower zielte und Frostbite sie gerade genug vereiste, damit sie weh taten. Das verstieß zwar gegen sämtliche Vorschriften, aber wenn ihre drei Freunde etwas ausheckten, musste Jet einfach mitmachen. Wann immer ein Proktor in Sichtweite kam, fragte entweder Jet oder Iri laut nach diesem Lied, das sie vorhin zusammen gesungen hätten.
    Das war der Kanarienvogel-Code für »Gefahr«.
    Frostbite schwieg so lange, dass Jet schon glaubte, er

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