Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
hätte die Verbindung unterbrochen. Er hatte Dienst in der Ops, musste die Leitung nicht für einen persönlichen Gefallen offenhalten.
Vielleicht hatte er den Geheimcode vergessen. Oder vielleicht war er immer noch so wütend auf Jet, dass es auch keine Rolle spielte, falls er ihn noch wusste. Aber dann durchschnitt ein statisches Geräusch ihr Ohr, und anschließend hörte sie Frostbites Stimme: »Leitung ist sauber. Du hast genau 30 Sekunden, um mir zu erklären, warum ich dir helfen sollte. Zeit läuft.«
Mit gedämpfter Stimme sagte Jet: »Ich habe Grund zu der Annahme, dass Lynda Kidder von Corp aus dem Verkehr gezogen wurde, weil sie den wahren Vorgängen um Ikarus zu nahe gekommen ist.«
Einen Herzschlag lang Stille, dann: »Warum?«
»Sie hat den Pulitzer-Preis für ihre Berichterstattung zum Fall Ikarus bekommen. Aber all die Dateien, die Ikarus betreffen, wurden nicht bloß entschärft, sondern vollständig gelöscht. Als ob sie nie existiert hätten. Wie also ist sie an ihre Informationen gekommen?«
»Das reicht nicht. Reporter haben ihre Quellen.«
»Es gab noch einen Artikel«, sagte Jet leise. »Einen unveröffentlichten. Ich habe ihn gefunden. Er deutet darauf hin, dass Corp irgendetwas mit Ikarus zu tun hatte.«
»Corp hat Ikarus gekauft.«
»Nein«, presste Jet zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Vorher.« Sie wollte noch mehr sagen, aber die Kopfschmerzen waren wieder da, diesmal noch stärker als zuvor. Das kommt von der Anspannung, dachte sie und massierte ihre Nasenwurzel. Diese Wahnsinnsidee näher zu beleuchten, glich einer Gotteslästerung. Corp stand für Gerechtigkeit, finanzierte die Schwadron und die Akademie.
Corp hatte die Rettung der Welt zum Geschäft gemacht. Und würde natürlich niemals Lynda Kidder beseitigen. Der Gedanke war absurd. Kidder musste sich geirrt haben.
Aber Moment mal: Sie hatte auch gedacht, dass Night sich irrte, als er sie gebeten hatte, Nachforschungen zum Verbleib der Reporterin anzustellen. Und darum ging es doch: Lynda Kidder zu finden.
Jet konnte fast hören, wie es in Frostbites Gehirn arbeitete.
Die Aussicht, eine Vertuschungsaffäre bei Corp aufzudecken, brachte ihn vielleicht dazu, seinen Hass gegen sie zu überwinden. Vielleicht. Hoffte sie.
»Und was willst du jetzt von mir 7 .«, fragte Frostbite.
»Ich möchte, dass du mir Zugang zu den Originaldateien von Corp über Ikarus verschaffst.«
Er gab ein bellendes Lachen von sich. »Dein Ruhm ist dir anscheinend schwer zu Kopf gestiegen. Wenn du glaubst, dass ich für dich ein solches Risiko eingehe, dann bist du noch verrückter, als dein Vater es jemals war.«
Er hatte den Köder geschluckt. Sie zog eine Grimasse und fuhr fort: »Wenn du das für mich tust und wenn ich herausfinden sollte, dass Corp etwas mit Kidders Verschwinden zu tun hat, werde ich aufhören, Iridium zu jagen. Ich verspreche es.«
Stille.
Jet schwebte über New Chicago und wartete.
Endlich sagte Frostbite: »Du musst dir schon etwas Besseres einfallen lassen, um mich rumzukriegen.« Jet konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. Trotz seiner Worte wusste sie, sie hatte ihn am Haken. »Wenn es etwas gibt, das diese Bastarde mit dem Verschwinden von Lynda Kidder in Verbindung bringt, dann wirst du dich öffentlich von Corp und der Akademie lossagen.«
Verflucht. »Nein.«
»Kein Problem. War nett, mit dir zu plaudern …«
»Warte. Falls ich irgendeinen Beweis für eine Beteiligung von Corp finde, verspreche ich, diese Informationen öffentlich zu machen.« In ihrem Kopf hörte sie eine Stimme flüstern, dass allein schon dieser Vorschlag sie zur Verräterin stempelte.
Frostbite schnaubte erneut. »Was, Interviews?« Seine Stimme bekam einen spöttischen Unterton. »Öffentliche Entrüstung? Ein Auftritt in einer Talkshow? Die große Jet enthüllt das Geheimnis, gibt eine Erklärung zu den Missetaten von Corp ab, wirft ihren Umhang von sich und verbrennt ihre Schutzbrille?«
»Vollständig anonym«, erwiderte sie. »Aber mit Beweisen, die jedes Detail belegen. Einschließlich Lynda Kidders letztem Artikel.«
Frostbite ließ ein leises Lachen hören. Jet konnte förmlich sehen, wie seine Augen vor Freude funkelten. Und vor Zorn. Frostbites Augen hatten immer schon verraten, was er fühlte. »Dafür, dass du meine Hilfe brauchst, Jetster, bist du ja nicht gerade sehr entgegenkommend.«
Zähneknirschend erwiderte Jet: »Ich kann’s nicht ändern, Derek. So bin ich eben.«
»Ich weiß, Joan. Du bist
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