Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
Corps Schoßhündchen.«
»Nein«, widersprach sie. »Ich bin die Heldin von New Chicago. Und ich glaube daran, dass wir etwas Gutes tun. Die Menschen brauchen Helden, die sie beschützen und retten.«
Er lachte sie aus. Es klang brüchig und grell in ihren Ohren. »Und Helden brauchen das Rampenlicht, oder?«
»Das stimmt nicht.«
»Soso.«
»Es hat noch nie gestimmt, egal, was du denkst.« Die Worte strömten nur so aus ihr heraus. Sie waren angefüllt mit der ganzen stillen Wut, die sich während der vergangen fünf Jahre in ihr angesammelt hatte. »Ich würde all das in einer Sekunde aufgeben, wenn ich nur meinen Job weiter tun könnte. Aber so läuft es nicht in der Welt, Frostbite. Und du weißt das. Wenn ich eine Heldin sein will, dann muss ich mich auch wie eine benehmen und an die Regeln halten. Und dazu gehören auch Kontakte mit Geldgebern und der Politik und die Teilnahme an dämlichen Massenveranstaltungen und Talkshows und, das Heilige Licht helfe mir, Fototermine!«
Jet klappte den Mund zu und stellte überrascht fest, dass sie geschrien hatte. Na großartig, dachte sie. Schlimm genug, wenn man Selbstgespräche führt, aber in voller Lautstärke? Sie atmete ganz langsam aus und bemühte sich, ihren Blutdruck wieder herunterzufahren.
»Du hasst es so sehr«, sagte Frostbite. »Auf eigene Faust zu arbeiten, meine ich. Wie man hört, ist das gerade groß in Mode.«
Ihre Worte kamen einem Flüstern gleich, als sie sagte: »Ich kann nicht.« Selbst wenn sie gewollt hätte, sie konnte nicht.
»Ach ja, richtig. Das hatte ich fast vergessen.« Der Hohn in seiner Stimme war unüberhörbar. »Du müsstest zu viel aufgeben. Deine Runner, zum Beispiel, dein angenehmes Leben als Heldin von New Chicago.«
»Leg mir nichts in den Mund, was ich nicht gesagt habe«, fauchte sie. »Ich sagte, ich kann nicht. Aber leg es doch aus, wie du willst, Derek. Tust du ja sowieso.«
Frostbite schwieg für einen Augenblick, dann murmelte er: »Heilige Scheiße. Sie haben etwas gegen dich in der Hand.«
Sie gab keine Antwort. Ihr Herz hämmerte wie wild in der Brust.
»Wie lange haben sie dich schon an der Leine?«
»Das geht dich nichts an.« Wenn er dachte, sie würde ihm den wahren Zweck des Comlinks verraten oder etwas von den Stimmen, die sie nur mit Mühe in Schach halten konnte, dann war er … nun, dann war er genauso verrückt wie eine Schattenmacht.
»Hat es etwas mit dem zu tun, was im fünften Jahr an der Akademie passiert ist? Haben sie dich gezwungen, sie ans Messer zu liefern?«
»Hier geht es nicht um das fünfte Jahr!«, zischte sie. Keine Spiele mehr. Kein Vor und Zurück. »Kommst du jetzt von deinem hohen Ross herunter und hilfst mir? Oder willst du Lynda Kidder verrotten lassen, bloß weil du mich für etwas hasst, von dem du glaubst, dass ich es vor fünf Jahren getan habe?«
Frostbite räusperte sich, dann sagte er: »Ich melde mich wieder.« Dann trennte er die Verbindung und zurück blieb nur ein wütendes Rauschen.
Jet hoffte entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass Frostbite sich überwinden würde, und startete zu ihrer Tagespatrouille.
KAPITEL 28
IRIDIUM
Man kann Schurken sehr wohl einsperren. Doch das heißt nicht, dass sie besiegt sind. Man kann es in ihren Augen sehen, an der Art, wie sie sich aufrecht halten, selbst dann, wenn sie unter Drogen stehen oder in einer Zwangsjacke stecken: Gefangen, ja. Aber nicht besiegt.
Lynda Kidder, »Wer sitzt denn da in Blackbird?« New Chicago Tribüne, 2. Juli 2112
Iridium ging zahllose Flure entlang, vorbei an weiß gestrichenen Zellentüren, auf denen nichts weiter stand als der Deckname des Abtrünnigen, der hier eingesperrt war. Der Wärter, der sie begleitete, setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. »Er schreit und tobt nun schon seit einer Stunde und verlangt, Sie zu sehen, Doktor. Tut mir leid, dass ich Sie wecken musste.«
»Das ist kein Problem«, murmelte Iridium. In ihrem Magen wand und ringelte sich die Angst wie eine kalte Schlange. »Ich bin immer da für meine Patienten.« Wenn Lester das Risiko einging, die Aufmerksamkeit auf sie beide zu lenken, dann musste etwas oberfaul sein.
»Sie sind eine Heilige, Doktor«, sagte der Wärter und zog seine Schlüsselkarte durch den Schlitz des Türöffners zum Besprechungsraum. Drinnen konnte Iridium ihren Vater toben hören.
»Ihr verdammten Hurensöhne!«, schrie er. »Wenn ich erst draußen bin, werden wir ja sehen, wer hier ein Verbrecher ist und wer nicht!«
Die Tür
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