Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Schulter. »Night«, sagte Luster. »Rick. Komm schon, Rick. Es ist jetzt vorbei. Unser Mädchen hat ihn besiegt. Alles unter Kontrolle.«
»Nein«, flüsterte Night rau. »Ist es nicht.«
In diesem Moment leuchtete Bonfire auf wie eine sterbende Sonne und begann sich kreischend zu winden, während er sich das Fleisch von den eigenen Knochen brannte.
»Achtung!«, gellte einer von der Schwadron New York, »er verwandelt sich in eine Supernova!«
Gerade als Bonfire den kritischen Punkt erreichte, hämmerten Major Victorys Fäuste ein weiteres Stück Mauer nieder. Das Gebäude ächzte, die Wände schienen sich zu neigen – und dann kreischte Beton auf Stahl, und die ganze Konstruktion brach mit ohrenbetäubendem Getöse über ihnen zusammen.
Dass sie nicht alle den Tod fanden in diesem Inferno, verdankten sie einer New Yorkerin namens Barricade. Ihr Kraftfeld schirmte sie ab, als das Gebäude einstürzte.
Nachdem sie sich aus dem Trümmerhaufen herausgekämpft hatten, versuchten sie, die Menschen zu retten, die unter dem Schutt begraben lagen – diejenigen, die Hypnotic in Trance versetzt hatte. Eine Handvoll schaffte es. Die meisten nicht.
Es war eine lange, stumme Heimreise. Night starrte aus dem Fenster, in dunkle Gedanken versunken. Falls er überhaupt bemerkte, dass der Schatten über seine Augäpfel leckte, so ignorierte er es. Wenn alles dunkel war, glich ein Schatten dem anderen.
Nach ihrer Rückkehr wollte Corp einen Bericht. Das übernahm Angelica, denn Luster, Night und Blackout behaupteten, sie könnten sich an kaum etwas erinnern. Night fragte sich, ob auch die anderen beiden logen. Seine Erinnerung funktionierte gut.
Sogar jetzt noch sah er jene dunkle, dunkle Welt und sich selbst als ihren Gott.
Angelica erzählte eine schöne Geschichte davon, wie tapfer sie alle gekämpft hatten und wie Hypnotic, schon besiegt, seinen letzten Trumpf aus dem Ärmel gezogen hatte – indem er Bonfires Verstand übernahm und den Mann zwang, sich selbst in eine Brandbombe zu verwandeln und das Gebäude in die Luft zu sprengen.
Corp kaufte es ihnen ab. Dann setzten sie eine Pressekonferenz an. Dieses Mal war es Luster, der aalglatt in die Kameras und Mikrofone log. Die Geschichte ging gut aus: Den verräterischen Schurken Doctor Hypnotic erwartete eine Verhandlung vor einem Geschworenengericht. Falls man ihn schuldig sprach, würde er, wie Luster es ausdrückte, »mit super-mega-absoluter Sicherheit lebenslänglich im Blackbird bekommen und bis unters Dach mit Medikamenten vollgepumpt werden«. Die Medien liebten sie.
Luster ging nach Hause zu Frau und Kind. Blackout und Angelica gingen ebenfalls nach Hause, wo sie sich gegenseitig unter ihrer Bettdecke Trost spendeten.
Night lernte die Namen aller Opfer auswendig, die bei dem Vorfall, den die Presse »Belagerung von Manhattan« getauft hatte, ums Leben gekommen waren. Die Zahl war um etliches höher als dreiundfünfzig. Für kurze Zeit gelang es ihm, sich einzureden, dass ihn diese Toten kümmerten. Und dann kam der Tag, an dem er damit aufhörte.
Vielleicht bemerkten die anderen ja die tiefere Kälte in seiner Stimme oder das dunkle Schimmern in seinem Blick. Doch falls dem so war, dann sagte keiner von ihnen etwas.
KAPITEL 36
TEAM ALPHA
Blackout zeigt erneut Anzeichen von Verfall. Ausmusterung kommt nicht infrage. Auch Corp-Co hat schließlich einiges in die Berühmtheit investiert, die die Belagerung von Manhattan ihren Helden eingebracht hat. Kann sein, dass eine Therapie nötig wird. Werde ihn weiter beobachten.
- Aus dem Tagebuch von Martin Moore, Eintrag Nr. 170
Gelegentlich kommt es vor, dass aus Dingen, die in aller Unschuld getan werden, die schlimmsten nur denkbaren Konsequenzen erwachsen.
Für diese spezielle Variante von »Stille Post« brauchte es in der Tat weder eine Post noch ein Kommunikationssystem noch Comlinks. Es begann einen Monat nach der Belagerung von Manhattan.
… Angelica, immer noch voller Entsetzen darüber, was aus ihrem früheren Geliebten geworden ist, erzählt Victoria, was Doctor Hypnotic ihr anvertraut hat – dass Corp sie gezwungen hätte, sich in Blackout zu verlieben, und dass die Ohrknöpfe nichts anderes seien als Werkzeuge, mit denen ihrer aller Gehirne unter Kontrolle gehalten werden sollen. Was natürlich purer Unsinn ist. Ab und an erwische sie, Angelica, sich jedoch bei dem Gedanken »Was, wenn doch …?«. Victoria tätschelt ihr die Hand und meint, sie könne vielleicht gerade
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