Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
hat.
Ah, Julie.
Garth schneidet eine schmerzvolle Grimasse, dann schiebt er den Gedanken an seine Frau beiseite. Sie wird wieder gesund werden. Sie muss wieder gesund werden.
Gerade eben hat er seine Erzählung beendet. Er hat den anderen von den Ereignissen der vergangenen Tage berichtet. Von den Kämpfen in den Straßen. Von Arclight, der in seine Wohnung geplatzt ist. Davon, wie Julie und die anderen der sogenannten Zombie-Seuche zum Opfer gefallen sind. Und jetzt wartet er darauf, dass Terry sagt, ja, das Latente Netzwerk wird wieder aktiv, zur Hölle mit Corp, Scheiß drauf, wenn wir entdeckt werden.
Aber die Zeit vergeht, und Garth und die anderen nippen an ihrem Kaffee und hören mit halbem Ohr den Nachrichten zu, die im Hintergrund über den Fernseher plärren. Und Terry, der alte Mistkerl, sagt nicht ein einziges verdammtes Wort.
Garth trinkt seinen Kaffee aus und knallt die leere Tasse auf den Tisch. »Also, was ist denn jetzt? Sitzen wir weiter hier rum und gucken zu, wie da draußen alles abfackelt? Oder unternehmen wir was dagegen?«
Seine Freunde schweigen. Im Hintergrund plappert irgendeine Nachrichten-Tussi was über Bürgermeister Lee und sagt, dass er alle außermenschlichen Aktivitäten auf das Strengste verurteilt – möglicherweise sogar die, welche der Polizei und der Nationalgarde bis jetzt geholfen haben. »Wir können ihnen nicht vertrauen«, schwadroniert der Bürgermeister. Doch seine Stimme klingt blechern und tonlos.
»Unternehmen«, sagt Terry schließlich. »Und was?« Seine Stimme klingt alt und kraftvoll, sein Ton nachdenklich. »Erklär mir, wie wir diesen Irrsinn aufhalten sollen, und ich werde dir mit Freuden zuhören.«
»Wir gehen einfach da raus«, erwidert Garth. Er zeigt auf die Tür und darüber hinaus, auf die ganze Stadt. »Tun das wenige, was wir tun können. Etwas muss einfach besser sein als nichts.«
»Wir sind keine richtigen Außermenschlichen«, sagt Jose und zuckt resigniert mit den Schultern. »Da ist ja kaum ein außer. Wir würden einfach getötet.«
»Etwas ist besser als nichts«, wiederholt Garth. In seiner Stimme liegt ein wütendes Knurren. »Wir rufen das ganze Netzwerk auf, bringen alle dazu, ihre Deckung zu verlassen. Mag ja sein, dass Hunderte aus der Schwadron zu den Bösen gewechselt sind. Wir aber sind Tausend in unseren Verstecken.«
»Tausend Möchtegerns«, grollt Claire. »Kein Einziger mit Kampfausbildung.« Sie konnte ziemlich gut auf sich selbst aufpassen – die Frau war in mehr Messerstechereien verwickelt gewesen, als Garth zählen konnte.
»Und alle leben ein ganz normales Leben«, meinte Jose. »Zahlen ihre Rechnungen. Gehen Corp aus dem Weg. Wenn wir uns jetzt einmischen, gibt es kein Zurück mehr.«
»Kann sein, dass es bald gar nichts mehr gibt, wohin wir zurückkönnen«, sagt Luke leise. Garth hätte ihn am liebsten geküsst für seinen Mut. »Die Stadt ist ein einziger Trümmerhaufen, und Corp sagt immer noch nichts dazu. Und es ist ja nicht bloß New Chicago. Das ganze Land geht den Bach runter, Mann. Die Schwadron ist vollkommen ausgerastet. Sie zerstören alles.«
»Und was willst du dagegen tun?«, fragt Jose. »Fressen, bis das Land wieder sicher ist?«
Claire versteift sich auf ihrem Stuhl. »Jungs.«
Luke faucht: »Seht euch das –«
»Kommt schon, Leute«, seufzt Terry. »Das hilft doch alles nichts …«
»Helfen?«, beharrt Garth voller Zorn. »Wir helfen überhaupt niemandem 1 .«
»Jungs! Haltet doch mal die Klappe, verdammt!« Claire deutet auf den Fernseher. »Hört euch das an.«
Garth dreht sich um. Auf dem Bildschirm sieht er ein Textband laufen: DOCTOR HYPNOTIC GEFLOHEN.
Dann verkündet die Nachrichtensprecherin – die liebliche Gena Mead mit einem der Situation angemessenen todernsten Gesichtsausdruck – die Botschaft: »Soeben wird offiziell bestätigt, dass der Superschurke Doctor Hypnotic aus dem Blackbird-Gefängnis entkommen und auf freiem Fuß ist.«
Schnitt. Eine Aufnahme zeigt Commissioner Wagner. Er sieht abgezehrt aus. »Harold Gibbons, der Öffentlichkeit bekannt als Doctor Hypnotic, ist aus dem Blackbird-Gefängnis entkommen. Alle Bürger werden hiermit dringend aufgefordert, ihre Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen, bis er und die anderen ehemaligen Mitglieder der Schwadron wieder in sicherem Gewahrsam sind.«
Na klar doch, denkt Garth. Einfach unser Leben anhalten für Gott weiß wie lange. Uns einfach in unseren Löchern verkriechen, bis die Götter es untereinander
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