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Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht

Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht

Titel: Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlin Kittredge , Jackie Kessler
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Kalt.
    Voller Schatten.
    Wieder und wieder ließ Jet den Kampf in ihrem Kopf ablaufen. Sah, wie sie erstarrte, anstatt die Mutanten ohne Umschweife zuzudecken.
    Hörte Hornblowers gequälten Aufschrei.
    Ich habe das getan, sagte sie zu sich selbst. Ich habe nicht angemessen reagiert, und das kostet ihn ein Bein. Vielleicht sogar sein Leben.
    Als sie den Kampf in Gedanken zum vierten Mal durchging, wurde ihr klar, dass sie beinahe Taser angegriffen hätte … und dass die Schattenstimmen die ganze Zeit über geschwiegen hatten. Sie war am Abgrund entlanggetanzt, auf der Grenze zum Wahnsinn, und dieses Mal konnte sie nur sich selbst die Schuld dafür geben.
    Sie sollte deswegen Wut verspüren. Oder Entsetzen. Oder irgendetwas anderes spüren als diese leere Kälte, diese fast sterile Distanz.
    Und sie fragte sich, ob man es wohl merkte, wenn man wahnsinnig wurde.
    Während sie allein in dem kleinen, spartanisch eingerichteten Raum saß, tippte sie hin und wieder ihr Comlink an, um von Ops Lageberichte abzufragen: Die Gruppe hatte die Mutanten ohne weitere Zwischenfälle im Illinois State Prison abgeliefert (also hatte zumindest etwas geklappt, dachte sie); Taser war dabei, das Runner-Netzwerk zusammenzutrommeln (wahrscheinlich würde er danach irgendeine Art von Bezahlung verlangen); Iridium hatte von einem Gerücht erzählt, demzufolge die Schwadron Indien bald in das Geschehen eingreifen würde (vielleicht erlebten sie diesen Tag ja wirklich alle noch); endlose Diskussionen darüber, wie man Hypnotic aufhalten solle; Iridium, die aus dem Hauptquartier gestürmt war, statt sich mit Steele anzulegen.
    Jet lehnte ihren Kopf nach hinten gegen die Wand und schloss die Augen. Irgendetwas musste sich doch zu ihren Gunsten entwickeln.
    Sie konnten nicht in diesem Tempo weitermachen – selbst wenn die Runner ihnen zu Hilfe kamen. Sie waren nur eine Handvoll Außermenschliche und taten den Job von Hunderten.
    Sie hätte niemals gedacht, dass sie sich mit zweiundzwanzig so alt fühlen würde.
    »Jet?«
    Sie öffnete die Augen und setzte sich aufrecht. Ihr Nacken beschwerte sich eindringlich, und die Zunge klebte trocken am Gaumen. Sie blinzelte die Reste des Schlafes weg und sah zu der Schwester hinauf. »Ja?«
    Die Frau lächelte müde. »Ich wollte Ihnen nur sagen: Er kommt durch.«
    Mitternacht – Geisterstunde. Jet gestattete sich ein kleines Lächeln, als sie auf ihre Stadt hinunterschaute. Vor dem hellen Leuchten des Vollmonds schwebte sie in der Luft wie ein dunkler Engel. Schatten spielten auf ihrem Gesicht, während sie ihren Blick über alles schweifen ließ, was ihrer Obhut anvertraut war.
    Von so hoch oben sah New Chicago nicht aus wie eine Stadt im Belagerungszustand. Vielleicht lag das an der Smogschicht. Sie erschwerte es, die zahlreichen Feuer zu sehen, die immer noch brannten, oder den verräterischen Ozongeruch wahrzunehmen, der in der Luft hing – Überreste der Kämpfe, die überall getobt hatten. Hier oben am Himmel wirkten die Probleme des Erdbodens wie verblasste Geschichten aus einer fernen Vergangenheit, wie das leise Geflüster in fast schon vergessenen Träumen.
    Die Fahrzeuge und Gleiter der Nationalgarde, die in den Verkehrsströmen zu Lande und in der Luft dahinglitten wie kakifarbene Fische, konnte sie gerade noch erkennen. Um diese Zeit pflegten die meisten Einwohner sicher unter ihrer Bettdecke zu liegen, sogar bevor die von Bürgermeister Lee verhängte allgemeine Ausgangssperre in Kraft getreten war. Einige hatte sie jedoch noch draußen gesehen – reglos, mit Augen, die ins Leere starrten. Die letzten Opfer der sogenannten Zombie-Seuche. Und alle in Planquadrat 21. Looptown.
    Hypnotics Bezirk.
    Sie hatte diese Fälle an Ops gemeldet, und entweder Meteorite oder Frostbite hatten alles Weitere veranlasst und Rettungsteams an die entsprechenden Stellen geschickt. Jet hatte im Schatten geschwebt und so lange Wache gehalten, bis die hypnotisierten Zivilisten, steif wie Bretter, sicher in den Rettungswagen lagen und abtransportiert wurden.
    Dann war sie voller Sorge hinauf in den Himmel geflogen, als könnte der schwache Schein der Sterne Antworten geben auf ihre Fragen. Doch falls da irgendwelche Vorzeichen in der Schwärze geschrieben standen, so konnte sie sie nicht entschlüsseln.
    Hals Stimme, triefend vor Verheißung: Ich kann dir eine bessere Welt geben, Joan.
    Sie mussten sich um Hai kümmern, Doctor Hypnotic, und zwar schnellstens. Aber wie? Wie konnten sie einen Geistmächtigen dazu

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