Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Schultern.
»Hey! Stopp –« Garth will gerade den Klassiker »Im Namen des Gesetzes« anfügen, als Big Ram ihm mit voller Wucht in den Rücken kracht. Garth segelt durch die Luft. Er hat höllische Schmerzen und schimpft sich einen unglaublichen Dummkopf, weil er den anderen Ex-Helden völlig vergessen hat. Elephant Man ist so nett, Garths Flug mit seinem riesigen Körper zu stoppen. Garth prallt an der steinharten Tierhaut ab und sackt halb betäubt zu Boden. Dabei denkt er ernsthaft noch einmal über die Sache mit dem Heldsein nach.
»Du hast den Möchtegern gehört«, schnaubt Big Ram. »Stell sie ab.«
»Verpiss dich! Ich war zuerst hier.«
»Oh, aber klar doch. Ich bin beeindruckt.« Big Ram lacht dröhnend. »Du warst schon bei der Schwadron bloß zweite Wahl, und jetzt bist du nur noch eine armselige Erdmacht, die dringend Hosenträger braucht.«
Beleidigungen fliegen hin und her. Und schon bald fallen die beiden Kartons mit einem lauten Krachen zu Boden, als Elephant Man und Big Ram mit Stoßzähnen und Hörnern aufeinander losgehen.
Garth kämpft sich langsam wieder auf die Füße und schüttelt sich, um den Kopf klar zu kriegen. Er traut seinen Augen nicht, als er sieht, wie die beiden Abtrünnigen sich anschicken, einander zu Hackfleisch zu verarbeiten. Das lief jetzt aber nicht nach Plan. Andererseits hatte er ja gar keinen Plan gehabt. Er war einfach dazugekommen, als die Plünderung gerade im Gange war, und hatte sich da reingestürzt. Also … höchste Zeit, etwas zu improvisieren.
Garth schleicht sich zu einem der heruntergefallenen Kartons. Versucht, ihn zu bewegen. Hebt sich fast einen Bruch. Okay. Schlechter Plan. Und jetzt?
Er bemerkt die offene Ladentür und hinkt dorthin, so schnell es eben geht. Drin im Laden sieht er das zerbrochene Glas der Auslage, die ganzen Sachen, die verstreut auf dem Boden liegen. Und dann den Mann dazwischen. Garth humpelt zu ihm und legt ihm eine Hand auf den Hals. Spürt einen Puls. Gut. Der Mann stöhnt. Besser. »Sir, können Sie aufstehen?«
Der Mann sagt etwas. Es ist entweder ein Fluch oder ein Gebet. Er wälzt sich herum und sieht Garth an. Und dann entfährt ihm ein mädchenhafter, spitzer Schrei.
Garth braucht einen Moment, bis ihm einfällt, dass er einen schwarzen Trenchcoat und eine schwarze Skimaske trägt. Damit sieht er wahrscheinlich eher wie ein Verbrecher aus als wie der Held, der er gerne sein möchte. Vielleicht sollte er sich das mit dem Kostüm noch mal überlegen. »Sir, ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen. Brauchen Sie einen Arzt?«
Der Mann betrachtet seine Wunden, dann schüttelt er den Kopf. »Hast du ihn aufgehalten? Elephant Man?«
»Er ist draußen.«
»Gefesselt? Bewusstlos?«
»Na ja. Nein. Nicht so ganz. Eigentlich prügelt er sich mit einem anderen Ex-Helden um ihre Sachen.«
Der Mann stößt einen beeindruckenden Fluch aus.
»Tut mir leid«, sagt Garth. »Das ist mein erster Einsatz.«
»Du solltest noch mal darüber nachdenken, ob das wirklich der richtige Job für dich ist.« Der Mann versucht aufzustehen, ächzt vor Schmerzen und legt sich wieder hin.
»Ich werde die Polizei rufen«, sagt Garth. »Telefon?«
Der Mann deutet schwach auf den zerschmetterten Verkaufstresen.
Garth hinkt hinüber, wobei er sorgfältig darauf achtet, nicht in einen Glassplitter zu treten. Er entdeckt das Telefon, greift danach … und sieht den Baseballschläger, der halb vergraben unter dem ganzen Trümmerhaufen liegt.
Au ja!
Auf seinem Weg aus der Pfandleihe wirft er dem Verletzten das Telefon zu und sagt ihm, er solle die Nummer der Notrufzentrale wählen. Draußen sind die beiden Abtrünnigen immer noch in ihren Schlagabtausch verwickelt. Schon hat sich eine kleine Menschenmenge gebildet. Die Leute beobachten den Kampf aus vorsichtiger Entfernung, bereit, beim geringsten Anzeichen von Gefahr auseinanderzustieben. Keiner von ihnen macht auch nur den Versuch, einzugreifen oder in den Laden zu gehen und nachzusehen, was passiert ist. Oder dem Mann zu helfen, der überfallen worden ist.
Eigentlich ist Garth nicht überrascht. Elephant Man und der Big Ram sind wirklich ganz schön furchteinflößend. Jeder Hieb, der trifft, hört sich an wie ein kleines Donnergrollen.
Er schleicht sich zu ihnen, still wie die Maus, die Elephant Man ihn vorhin genannt hat. Er hebt den Schläger hoch. Und dann grinst er. Vielleicht ist er ja wirklich bloß ein außermenschlicher Möchtegern-Held. Aber er hat auch in seiner College-Zeit die
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