Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
schreibe zwei Minuten gedauert. Die Frau hatte eine riesengroße Klappe und nichts dahinter, vor allem, wenn sie erst einmal entwaffnet war. Dann blieb von ihr nur noch ein weinerliches Häufchen Elend übrig. Die Show, die sie abzog, verfing bei den männlichen Mitgliedern der Schwadron wahrscheinlich besser als bei den weiblichen, vermutete Jet. Dann musste sie an Frostbite denken und ergänzte in Gedanken: jedenfalls bei den meisten.
Bomben im Gürtel, zusätzliche Zünder in den Schuhen, rief sich Jet ins Gedächtnis. Und dann waren da noch die metallischen Haarspangen. Die hatten tausendmal mehr Sprengkraft als die kleinen Knaller, die Kinder so gerne auf die Straße warfen.
Jet hatte bereits viel zu viele Tage damit verbracht, gegen Außermenschliche zu kämpfen, die einmal ihre Kollegen gewesen waren. Daher verspürte sie tatsächlich eine gewisse Erleichterung, einmal einer menschlichen Möchtegern-Schurkin entgegenzutreten. Es würde ganz schnell gehen. Sie würde die Gefangene Commissioner Wagner übergeben und dann ab ins Hauptquartier. Sie vermisste ihr Bett, aber seit die Schwadron dem kollektiven Wahnsinn anheimgefallen war, konnte sie nicht mehr zurück in ihre Wohnung. Zu gefährlich.
Dieser Gedanke an den Verlust einer vergleichsweise so kleinen Bequemlichkeit machte sie plötzlich wütend. Sie kanalisierte das Gefühl und schoss direkt nach unten, genau auf Bombshell zu.
Die Frau konzentrierte sich so sehr auf das brennende Gebäude, dass sie Jet erst bemerkte, als es zu spät war: Ein Schattenband schlängelte sich um ihren Oberkörper, zog sich eng zusammen und fesselte ihre Arme. Bombshell kreischte auf, und das kleine Päckchen, mit dem sie gespielt hatte, fiel ihr aus der Hand. Aber das hatte Jet erwartet – ein Polster aus grauer Materie fing es auf und das Ding landete mit einem sanften Plopp.
Viel zu einfach. Andererseits war Bombshell nicht allzu gerissen.
Jet landete direkt vor der Möchtegern-Schurkin und sah zu ihr hinauf. Selbst ohne die hohen Stilettos – Licht, wie konnte die Frau bloß damit laufen, ohne umzufallen? – überragte sie Jet bei Weitem.
»Lass mich gehen!«, kreischte die Frau.
»Ich glaube nicht.« Jet hob das kleine Päckchen von dem Schattenpolster auf. Auch ohne das kursive B und das grelle Neonpink hätte sie Bombshells Visitenkarte erkannt. »Ich hatte dich nicht für eine Everyman-Hasserin gehalten, Bombshell.«
Die Möchtegern-Schurkin runzelte einen Moment die Stirn, dann zuckte sie mit den Schultern.
»Die Bezahlung war gut.«
Ach wirklich? »Du lässt dich anheuern, für Geld?«, fragte Jet und zog eine Augenbraue hoch. »Das ist doch gar nicht dein Metier.«
»Ich muss meine Rechnungen bezahlen.«
»Versuch es doch das nächste Mal mit einem Job bei Quick Fix. Wer ist dein Auftraggeber?«
Wieder zuckte Bombshell mit den Schultern. »Bin ihm nie persönlich begegnet.«
»Ich habe nicht gefragt, ob du dich mit ihm getroffen hast. Ich will den Namen.«
Die weißhaarige Frau hob das Kinn. »Mein Gedächtnis ist löchrig wie ein Sieb. Ein paar Hundert Digichips könnten ihm auf die Sprünge helfen.«
Jet war viel zu müde für solche Spielchen. Sie zog das Schattenband ein wenig straffer, und Bombshell keuchte. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen, ihre Lippen wurden blau vor Kälte.
»Den Namen«, wiederholte Jet.
Bombshell sah auf sie hinunter und fauchte: »Leck mich! Du bist nicht ausgetickt wie die anderen Freaks. Du bist immer noch eine von den Guten. Du kannst mir nicht wirklich was Schlimmes tun, und das weißt du.«
Sie hatte recht. Verflucht in alle Finsternis.
Jet rief ihren Schattengleiter herbei, schob Bombshell darauf und stellte sich neben sie. »Vielleicht bist du ja gesprächiger, wenn Commissioner Wagner dich fragt.« Jet packte das Schattenband, damit die andere Frau nicht umfiel. Dann befahl sie der Scheibe, sich in die Lüfte zu schwingen.
Auf halbem Weg zur Polizeistation meldete sich Ops: »Baby, du wirst nicht glauben, wen ich eben geortet habe.«
Jet stöhnte. Alles, was sie wollte, war, sich zusammenzurollen und ein paar Jahre lang zu schlafen. »Wen?«
Vor ihr fragte Bombshell: »Wen was?«
Jet ignorierte sie.
In ihrem Ohrknopf hörte sie Meteorite glucksen. »Iridium. Mann, wenns kommt, dann aber gleich dicke. Du errätst nie, wo ich sie gefunden habe.«
Jet konnte es auf gar keinen Fall mit einer weiteren Abtrünnigen aufnehmen. Nicht jetzt, wo ein starker Windstoß sie auf der Stelle umblasen konnte. Und
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