Projekt Omega
richtigen Beruf gewählt habe«, gestand sie. »Ich hätte mich nie auf Ihre dubiose Idee einlassen sollen.«
»Unser Einsatz lief doch bestens. Es gibt keinen Grund, sich im Nachhinein groß darüber aufzuregen.«
»Soll mich diese Antwort etwa aufmuntern?« Sie ergriff ihr Weinglas und nippte daran.
Cotton schwieg.
»Zu Ihrer Information«, fuhr Decker fort, während sie das Glas so vorsichtig abstellte, als wäre pures Nitroglyzerin darin. »Ich fühle mich miserabel.«
»Meinetwegen?« Cotton nahm einen Schluck Whisky und genoss die angenehme Wärme, die sich nach dem ersten Schluck in ihm ausbreitete.
»Ja, auch. Aber in erster Linie wegen diesem Schwein, das mich vorhin begrabscht hat. Was geht in den Köpfen dieser Männer vor, für die eine Frau eine seelenlose Ware ist?«
Cotton schüttelte den Kopf. »Kann ich auch nicht sagen, weil ich nicht zu dieser Sorte Mann gehöre.«
Decker schwieg eine Weile und ließ sich Zeit zum Nachdenken. »Dann verraten Sie mir wenigstens, was unser Besuch im Sexshop gebracht hat, außer dem Besitzer ein blaues Auge?«
Cotton zuckte mit den Schultern. »Wir haben einen Köder ausgelegt, und Styles hat ihn geschluckt. Jetzt müssen wir uns nur noch ein wenig in Geduld üben und ziehen dann hoffentlich einen dicken Fisch an Land.«
Der Kellner erschien mit dem bestellten Essen, das sie schweigend genossen. Decker wurde zunehmend entspannter. Nachdem sie fertig gegessen hatte, legte sie die Essstäbchen auf den Teller und schob ihn beiseite. Mit der Serviette tupfte sie sich die Mundwinkel ab und schaute Cotton dabei direkt ins Gesicht. Nicht mehr vorwurfsvoll wie vorhin; eher so, als interessiere es sie, was hinter seiner Stirn vorging.
Schließlich griff sie das Thema mit dem »blauen Auge« wieder auf.
»Vorhin in dem Sexshop war es nicht das erste Mal, dass Sie statt mit dem Mund mit den Fäusten argumentiert haben.« Sie faltete ihre Serviette bedächtig zusammen und bettete sie neben den Teller. »Haben Sie ein Aggressionsproblem?«
Cotton war gerade mit den letzten Bissen beschäftigt; deshalb sah er nicht vom Teller auf, als er trocken antwortete: »Solange ich gewinne, ist es kein echtes Problem für mich.« Er hob den Blick vom geleerten Teller und richtete ihn auf Decker. »Fanden Sie es falsch, dass ich dem Kerl eine reingehauen habe?«
»Ja.« Ihre Mundwinkel zuckten, als hätte sie Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. »Das wollte ich eigentlich machen.«
Cotton schmunzelte, wurde dann aber wieder ernst. »Zugegeben, der Bursche hat eine Menge Schwachsinn verzapft, nur in einem hat er recht: Als Nobodys dringen wir niemals bis in den inneren Zirkel der Rotlichtszene vor. Ihn dagegen kennen diese Leute, ihm vertrauen sie.«
»Und was bringt es uns, wenn wir in diesem ominösen Zirkel sind?«
»Hoffentlich auf eine Spur, wer den Film mit Joan Fallon besitzt oder besaß. Und an wen der Streifen möglicherweise verkauft wurde.«
»Was macht Sie so sicher, dass der Erpresser nicht ein ganz normaler Freund von Sexfilmchen ist? Irgendein braver Familienvater, der das Video vor Urzeiten gekauft hat. Jemand, der durch Zufall kürzlich die Hauptdarstellerin als Gemahlin des Präsidentenberaters erkannt hat.«
»Und dieser unbescholtene Bürger soll jetzt diese Frau erpressen, damit sie ihm ein Staatsgeheimnis verrät, von dessen Existenz bestenfalls eine Handvoll Geheimnisträger der Regierung oder feindliche Topspione wissen? Unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, würde er Geld verlangen. Nein, der Drahtzieher der Erpressung ist eine größere Nummer. Und die Spur zu ihm beginnt bei Eric Styles. Einen anderen Ansatzpunkt haben wir nicht.«
Während des Desserts schwiegen sie eine Weile, bis Decker plötzlich aussprach, was sie schon die ganze Zeit wurmte:
»Bambi?«
»Was?«
»Ein dämlicherer Künstlername ist Ihnen wohl nicht eingefallen?«
»Ich finde, Bambi hat was. Ein unschuldiger Trickfilm und dennoch brutal. Bambis Mutter wurde erschossen.«
Decker funkelte ihn an. »Passen Sie bloß auf, dass Ihnen das nicht auch mal passiert.«
7
Am nächsten Vormittag arbeitete Cotton im HQ und beschäftigte sich mit dem Dossier über den Exkönig des New Yorker Rotlichtmilieus, Nigel Culkin.
Besonders umfangreich war die Akte nicht. Culkin war in einem Kaff in Kalifornien aufgewachsen und hatte seine Jugend größtenteils mit Herumlungern vertan. Mit neunzehn hatte er in seinem ersten Sexfilm mitgespielt. Einige Jahre lang bestritt er seinen Unterhalt
Weitere Kostenlose Bücher