Projekt Omega
Times Square. Dort stellten sie das Fahrzeug in einer Tiefgarage ab. Den Rest des Weges bis zur 42nd Street legten sie zu Fuß zurück.
Styles wartete bereits vor seinem Laden. Er lehnte an einem zitronengelben Nissan, dessen Karosserie nur noch von Rostpartikeln zusammengehalten wurde. Nach einer flüchtigen Begrüßung stiegen Cotton und Decker in das abenteuerliche Gefährt. Styles klemmte sich hinters Steuer, während Cotton versuchte, es sich auf dem abgewetzten Beifahrersitz bequem zu machen. Decker musste sich erst noch mit der hinteren Tür abmühen. Die Scharniere gaben ihren Widerstand nur widerwillig und mit lautem Quietschen auf. Beim Einsteigen schlug der Agentin ein Gestank entgegen, der ihr den Atem raubte. Sie schloss für einen Moment die Augen und schickte ein stummes Stoßgebet an ihren Schutzengel: Falls der gerade nichts Besseres zu tun hätte, wäre es nett, wenn er sie bei der Himmelfahrt in dieser Schrottmühle ein Stückchen begleiten würde.
Widerstrebend nahm sie auf dem rissigen Kunstleder der Rückbank Platz und knallte die Tür zu. Styles startete den Motor, der nach mehreren Fehlversuchen röchelnd ansprang. Ruckelnd fuhr der Nissan los. Sein Fahrziel lag in einer der übelsten Ecken der South Bronx.
Dort angekommen, bogen sie in eine schäbige Straße ein, auf der sich mehr Müll angesammelt hatte, als auf einer Schuttdeponie in New Jersey. Im Schritttempo rollten sie an zum Abriss bestimmten Häusern vorbei, deren Fenster größtenteils mit Brettern vernagelt waren. Die Gehsteige bevölkerten Nutten, Fixer und andere bedauernswerte Vertreter gesellschaftlicher Randgruppen.
Styles stellte den Wagen in einer Parklücke ab, machte den Motor aus und checkte kurz die Umgebung. Während er und Cotton ausstiegen, quälte sich Decker auf der Rückbank aus ihrem Mantel. Sie ließ das Kleidungsstück auf dem Sitz zurück und versuchte sich aus dem Auto zu winden, ohne dass dabei ihr Stretchkleidchen bis zum Kinn hochrutschte.
Nachdem ihr das Kunststück gelungen war, bemühte sie sich äußerlich um Gelassenheit. Innerlich zitterte sie vor Anspannung. Schließlich würde sie gleich leibhaftig bei den Dreharbeiten eines dieser Schmuddelfilme zugegen sein, die sie im Vorführraum des G-Teams über sich hatte ergehen lassen müssen.
Begleitet vom penetranten Geruch aus Gullys und dem Gewummer eines Gettoblasters wanderte sie mit ihren Begleitern ein Stück die Straße hinunter. Unentwegt knirschten dabei Scherben zertrümmerter Glasflaschen unter den Schuhsohlen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn lungerte ein halbes Dutzend Jugendlicher herum. Die Streetgang war in Hoodies mit aufgezogenen Kapuzen gehüllt. Dazu trugen sie entweder ausgebeulte Jogginghosen oder ein paar Nummern zu große, bis zu den Knien heruntergerutschte Jeans, dazu Sneakers. An ihren Hälsen pendelten Goldketten-Imitate, die sie wie Karikaturen von Gangsta-Rappern aussehen ließen. Gelangweilt hockten sie auf der Treppe vor einem schmutzig braunen Backsteinkasten, als die drei Fremdkörper in ihrem Revier auftauchten. Wie auf Kommando drehten sie dem Trio die Köpfe zu und ließen es nicht aus den Augen, wie Bluthunde, die die Witterung einer Beute aufgenommen hatten.
*
Styles marschierte zu einem Ruinenfeld, das von einer abgerissenen Häuserzeile übrig geblieben war. Inmitten des Geröll-Areals ragte ein Relikt aus der Vergangenheit in Form eines zweistöckigen Hauses auf. Von den Wänden hing abgepellte Fassadenfarbe, als wäre das Gebäude gerade dabei, sich wie eine Schlange zu häuten.
Styles stoppte vor der mit Graffitis besprayten Haustür. Sie klaffte eine Handbreit auf. Der gesplitterte Holzrahmen schien erst kürzlich Opfer eines Einbruchs geworden zu sein.
Styles drückte einen Klingelknopf ohne Namensschild. Die Schelle funktionierte tatsächlich noch. Nach einer halben Minute rührte sich hinter der Tür etwas.
Lenny Stanton trat aus dem Eingang zu seinen Besuchern hinaus. Der Sexfilmproduzent entpuppte sich als ein untersetzter Mittfünfziger mit Halbglatze und rundem Pfannkuchengesicht. Seine Bekleidung war ein grellbuntes Ensemble aus kurzärmeligem Hemd, Schlabberhose und Sandalen.
Cotton schätzte den Mann als jemanden ein, der einen Teil seiner Freizeit in Ausnüchterungszellen verbrachte. Dafür sprach seine Alkoholfahne, die sich diskret mit dem Aroma eines Pfefferminzdrops vermischte, mit dem er die Fahne zu überdecken versuchte.
Bei Styles’ Anblick grinste Lenny übers ganze
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