Projekt Omega
allem, wenn die Typen da draußen auf Entzug sind.«
Decker zuckte zusammen, als Cotton sie plötzlich am Oberarm packte. Er zog sie unauffällig ein paar Schritte von den anderen weg, bis sie außer Hörweite waren.
»Der Typ hat Sie in Augenschein genommen und für okay befunden«, raunte er ihr ins Ohr. »Wollen Sie nicht lieber zum Auto zurück und dort auf mich warten? Ich ziehe das mit den Dreharbeiten alleine durch.«
Sie bedachte ihn mit einem nachsichtigen Lächeln. »Nichts für ungut, aber ich glaube, dieser Lenny hat mehr Interesse an mir als an Ihnen. Deshalb erreichen wir mehr, wenn ich ihm weiter das Köpfchen verdrehe.«
Über eine Treppe ging es in den Keller hinunter. Von dort führte ein spärlich beleuchteter Korridor geradeaus. Auf der linken Seite stapelten sich Kartons, deren Pappe feucht und schimmlig geworden war. Dahinter konnte man Ratten hören, die vor sich hin quiekten.
Am Ende des Flurs betraten sie das sogenannte »Studio«. Dabei handelte es sich um einen schmucklosen, aber weitläufigen Keller. Der Teppich war dermaßen abgeschabt, dass der Estrich darunter hervorblitzte. Das spärliche Mobiliar sah aus wie vom Sperrmüll. Der hintere Bereich wurde von drei Scheinwerfern angestrahlt. Dazwischen stand ein schlaksiger Mann Mitte dreißig mit ausgebeultem Shirt und einer Workout-Hose, die Bänder statt eines Gürtels am Rutschen hinderten. Er hantierte an einer HD-Kamera, die auf einem Stativ montiert war.
Beherrscht wurde der Raum von einer mit üppigen Kurven ausgestatteten Darstellerin. Die Lady trug nichts am Leib außer Netzstrümpfen und knallroten Stöckelschuhen. Altersmäßig ging sie stramm auf die fünfzig zu. Sie war groß, kräftig und alles in allem nicht schlecht gebaut. Ihr hochtoupiertes Haar wirkte vor lauter Haarspray steif wie Stahlwolle. Die Augen mit den falschen Wimpern versanken in millimeterdick aufgetragenem Make-up. Dazu glühten ihre aufgeplusterten Silikonlippen in einem glänzenden Feuerrot. Mit einer Kippe im Mundwinkel und übereinandergeschlagenen Beinen hockte sie auf einem Klappstuhl und blätterte gelangweilt in einem Magazin.
Neben ihr stand ein muskulöser Latino, dessen Bekleidung lediglich aus einem Ohrring bestand. Er war gut zwanzig Jahre jünger als seine Schauspielerkollegin. Im Gegensatz zu ihr wirkte er schüchtern, als wüsste er nicht recht, was er hier überhaupt verloren hatte. Im normalen Leben verdiente er sich seinen Unterhalt vermutlich als Klimatechniker oder in einem ähnlich adretten Beruf.
Beide trennte ein etwas deplatziert wirkendes Bügelbrett, bestückt mit einem klobigen Bügeleisen. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich bei diesen Gegenständen um die minimalistischen Requisiten des gerade im Dreh befindlichen Films.
Lenny trat neben den Mann an der Kamera und wies auf Decker. »Die Schnitte sieht umwerfend aus, was, Harry?«
Harry hob gelangweilt den Kopf und musterte die Agentin fachmännisch, bevor er sein Urteil kundtat: »Geile Figur.«
Die Röte in Deckers Wangen vertiefte sich.
»Die Kleine hat genau die richtige Ausstattung, die ich für meine Filme brauche«, lautete Lennys Expertenmeinung. »An der hat noch keiner mit dem Skalpell rumgepfuscht, das ist alles Natur. Rattenscharf, die Süße.«
Cotton schlenderte ziellos umher und ließ den Blick über die Kellerwände gleiten. Die wenigen Fenster waren winzig und von außen mit dicken Eisengittern gesichert. Es gab nur den einen Eingang, durch den sie vorhin hereingekommen waren.
»Um was geht es bei deinem neuen Film, Alter?«, heuchelte Styles Interesse, um Lenny bei Laune zu halten.
»Abgesehen vom Offensichtlichen?«, fragte der zurück. »Es geht um eine junge Frau, die auf den Strich geht und durch eine spiritistische Erleuchtung aufgrund einer plötzlichen Offenbarung den Mythologarismus entdeckt.«
»Hat sie plötzlich Elvis bei bester Gesundheit unter ihren Freiern entdeckt?«, erkundigte sich Cotton im Vorbeigehen.
»Ja, in diese Richtung geht’s«, bestätigte Lenny. »Ich denke, das könnte ’n Knaller werden.«
»Ach, komm.« Styles lachte gekünstelt. »Das sagst du doch bei jedem deiner Streifen, und am Ende kriegst du kaum die Unkosten raus.«
Decker tauchte hinter Cotton auf und flüsterte ihm ins Ohr: »Mythologarismus? Den Ausdruck gibt es nicht.«
»Danke, Miss Bambi«, flüsterte er zurück. »Ich bin sicher, die Filmkritik der New York Times wird diesen Schwachpunkt des Werkes in ihrer Rezension
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