Projekt Sakkara
»Sie lebt hier in Kairo und arbeitet als Tourguide am Ägyptischen Museum.«
»Assalamu aleikum!«, grüßte sie.
»Wa aleikum assalamu«, gab er zurück. Er schien nicht beeindruckt zu sein. Peter bemerkte allerdings, dass der Blick des Ägypters auf Melissas Dekollete lag, und fragte sich, ob ihre zur Schau getragenen Reize bei aller Eleganz überhaupt vorteilhaft für das Gespräch mit dem sicher muslimischen Mann waren. Er konnte nur hoffen, dass Melissa, die sich mit den Gepflogenheiten im Land auskannte, dies bedacht hatte.
»Sie hat uns viel über die Arbeit des SCA erzählt«, fuhr Peter fort. »Wir waren schockiert zu erfahren, wie viele wertvolle Kulturgüter in den letzten Jahrhunderten außer Landes geschafft wurden. Miss Joyce berichtete von Ihrer Arbeit und Ihren Bestrebungen und Erfolgen, dies einzudämmen.«
Dr. Aziz nickte nur.
»Mein Kollege, Patrick Nevreux, und ich möchten Ihnen unseren Respekt aussprechen, denn auch wir sind bestrebt, kommerzielle Ausbeutung dieser Art zu unterbinden. Stattdessen möchten wir durch behutsame Untersuchungen und Fragestellungen ein tieferes Verständnis für unsere Kulturen und unsere Herkunft erreichen. Wir sind zu der Ansicht gelangt, dass die Wiege unserer modernen westlichen Kulturen hier in Ägypten lag und dass ganz besonders in der Vergangenheit dieses Landes die Quelle des Wissens und unserer Entwicklung zu finden ist.«
Der Leiter der Altertümerverwaltung hörte Peter ohne merkliche Gefühlsregung zu und zog es vor, nichts zu erwidern, so dass eine unterkühlte Pause entstand.
Patrick, der bisher seinen Blick durch das Wohnzimmer hatte schweifen lassen, schüttelte innerlich den Kopf. Leute wie Dr. Aziz hatte er bereits zur Genüge kennengelernt. Er hatte mehr als einmal Verhandlungen geführt, in denen er als Bittsteller aufgetreten war, wenn er Fördergelder oder Genehmigungen benötigt hatte. Eine Verhandlung, in der das Gegenüber merkte, dass man etwas von ihm wollte, hatte man in der Regel schon verloren, bevor sie begann. Und es gab einen Typ Mensch, der das sofort erfasste und sich in diesem Augenblick verschloss, um seinen Vorteil größtmöglich auszuspielen. Was hier wie Arroganz anmutete, war schlichtes Kalkül. Es gab wenig Möglichkeiten, in so einer Situation etwas zu erreichen, wenn man sich nicht gönnerhaft behandeln lassen und eine übergroße Menge an Zugeständnissen machen wollte. Patrick hatte seine Ziele meistens durch Charme oder Dreistigkeit – und ohne Kompromisse – erreicht, oder er war abgeblitzt und hatte dann sein Glück woanders versucht. Leider gab es hier und heute keine Alternative, und so hatten sie beschlossen, dass nicht Patrick dieses Gespräch führen sollte, sondern Peter, der den Ägypter hoffentlich durch sein Fachwissen überzeugen konnte. Bisher schienen sie aber keinen Fuß auf den Boden zu bekommen.
»Dr. Aziz«, fuhr Peter nun fort, »wir scheinen auf der Spur einer außergewöhnlichen Entdeckung zu sein. Wir glauben, nachweisen zu können, dass Ihre Vorfahren über ein weit größeres Wissen verfügten als gemeinhin angenommen.«
»Es ist keine neue Erkenntnis, dass die ägyptische Kultur die damals am weitesten fortgeschrittene war«, sagte Dr. Aziz. »Worauf möchten Sie hinaus?«
»Es geht um die sagenhafte Tabula Smaragdina , eine Tafel, die der Tradition zufolge die Weisheit der Welt und die Geheimnisse des Lebens enthielt. Vielleicht haben Sie davon gehört.«
Der Ägypter nickte.
»Wir haben herausgefunden, dass sich die Geschichten über die sagenhafte Tafel auf eine ägyptische Stele zurückführen lassen, die im Mittelalter in den Besitz eines Ritterordens gelangte und dann im 16. Jahrhundert verloren ging. Diese ägyptische Stele stammte aus der Regierungszeit Pharao Echnatons und berichtet von einer tatsächlichen Quelle des Wissens, einem Pyramidion. Unsere Recherchen haben ergeben, dass ein solches Pyramidion tatsächlich 1926 gefunden wurde. In Sakkara. Wussten Sie das?«
Dr. Aziz atmete tief ein. »Anfang des letzten Jahrhunderts wurde ganz Sakkara umgegraben. Überall im Land wurde gegraben. Wie eine Rattenplage fielen die Ausländer über uns her. Was soll ich dazu sagen? Hunderttausend Objekte sind gefunden worden, und nicht einmal die Hälfte davon ist im Land geblieben.«
»Das Pyramidion, um das es geht, wurde von Cecil Firth entdeckt, nach Kairo transportiert und dann von der SCA beschlagnahmt. Wir würden gerne herausfinden, was es mit dem Objekt auf sich
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