Projekt Sakkara
und blies die Kerze aus.
Kapitel 10
15. April 1941, Ägyptisches Museum, Kairo
Eine Gruppe von sechs Deutschen stand auf dem Vorplatz des Ägyptischen Museums. Sie befanden sich in der Höhle des Löwen, inmitten der Hauptstadt, im Feindesland. Wenn die Engländer herausfänden, dass sie Deutsche waren, war das Unternehmen auf der Stelle gescheitert. Daher trugen sie unauffällige, zivile Kleidung und führten Schweizer Pässe mit sich, die sie als eidgenössische Forscher auswiesen.
Wolfgang Morgen wies seine Leute mit einem Kopfnicken an, sich um ihn zu sammeln. Die Männer folgten und bemühten sich, dies nicht mit der üblichen militärischen Präzision zu tun, sondern ganz so, wie sich eine Gruppe ehrenwerter Gentlemen zu einer lockeren Gesprächsrunde versammelt.
»Vorgehen wie besprochen«, sagte Morgen, als die Männer nah genug zusammengekommen waren. »Drei Gruppen, unregelmäßige Abstände. Jeder weiß, wonach er Ausschau zu halten hat, also Augen aufhalten, und wenn etwas verdächtig aussieht, so viel wie möglich merken. Wir treffen uns heute Abend und tauschen uns aus.« Dann nickte er einem der Soldaten zu. »Karl, Sie kommen mit mir. Wir gehen als Erste.«
Sie betraten das Museum, vorbei an einem gelangweilten britischen Soldaten, der sie kaum beachtete. Vermutlich hatte der Mann selbst keine Ahnung, warum er hier abgestellt war. Zwar herrschte prinzipiell Krieg, aber die meisten Ausländer waren schon seit zwei Jahren ausgewiesen worden, und die Front lag Tausende Kilometer weiter im Westen. Wer sich jetzt noch in Kairo aufhielt, der konnte eigentlich nur von Rechts wegen hier sein. Es war unsinnig, irgendetwas kontrollieren zu wollen. Und die Anzahl der Menschen, die sich in diesen Tagen ins Museum begaben, war ohnehin verschwindend gering.
Sie standen in der Eingangshalle und orientierten sich. Dann wandten sie sich nach links und folgten dem allgemeinen Rundweg. Morgen ließ seinen Blick über die Ausstellungsstücke wandern. Er hatte sich die Fülle der Artefakte nicht so groß vorgestellt. Es war geradezu atemberaubend, was für eine unsäglich reiche Kultur sich hier unter dem Wüstensand verbarg und welche Schätze und Geheimnisse er noch preisgeben konnte. Die Frage war, ob sie in dem Museum irgendeinen Hinweis auf jenes Pyramidion finden würden, von dem die steinerne Tafel aus dem Großmeisterpalast berichtet hatte.
Morgen schüttelte leicht den Kopf. Es war unglaublich, wenn man sich vergegenwärtigte, dass sie auf der Spur einer der größten Schätze der Menschheit waren, der Quelle allen Wissens, dem Ursprung der Kultur und der Zivilisation, dem Schlüssel zu absoluter Macht, und die Leute, die ihm folgten und sich nun auf seine Anweisung Vitrine für Vitrine ansehen sollten, hatten keine Vorstellung davon, womit sie es wirklich zu tun hatten.
Plötzlich stockte Morgen. Einen Raum weiter konnte er eine Gestalt ausmachen, die ihm bekannt vorkam. Er wies Karl an zurückzubleiben und ging selbst unauffällig weiter, immer so, dass er den anderen Mann zwar sehen, sich aber im Zweifelsfall, falls dieser sich plötzlich umdrehte, hinter einem Schaukasten oder eine Statue seinen Blicken entziehen konnte.
Er bemerkte schnell, dass der Mann nicht allein war. Er unterhielt sich angeregt mit jemand anderem, anscheinend einem Ägypter, denn er trug zu seiner weiten, weißen Kleidung einen roten Fez.
Schließlich war Morgen nahe genug herangekommen, um jeden Zweifel ausschließen zu können: Der Mann war tatsächlich jener Engländer, den er im Keller des Großmeisterpalastes auf Rhodos beim Kopieren der Stele erwischt hatte! Wie zum Teufel war er entkommen, und was suchte er hier? Morgens Gesicht lief heiß an, als er sich darüber klar wurde, dass der Mann noch immer auf derselben Spur war wie er selbst.
Wenige Meter weiter konnte er das Gespräch der beiden belauschen.
» ... nicht einfach anfangen zu graben«, sagte der Ägypter gerade.
»Das ist mir wohl bewusst. Aber ich habe keine Zeit, noch länger zu warten, womöglich, bis der Krieg vorbei ist.«
»Sir, was Sie vorschlagen, ist ... «
»Ich kann nur so viel sagen: Geld spielt keine Rolle. Und ich trage die volle Verantwortung.«
»Ich weiß wirklich nicht ... «
»Hören Sie, es ist mir wirklich außerordentlich wichtig. Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber ich suche nun schon seit vielen Jahren, und ich bin jetzt seit fast einem Jahr in Kairo. Ich habe alles studiert, was es zu studieren gibt,
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