Projekt Sakkara
Hallen, durch die sie liefen, waren wie erwartet nahezu ausgestorben, bis auf einige Wachen, die ihre Rundgänge machten. Niemand wohnte hier, niemand arbeitete hier. Das Gebäude wartete einzig und allein auf den Tag, von dem an der Diktator es nutzen würde.
Morgen erkannte, dass so gut wie gar nichts an dem renovierten Gebäude einem mittelalterlichen Kastell glich. Offenbar hatte man es beim Wiederaufbau nicht so genau mit der Authentizität genommen und sich weniger nach alten Bauplänen und mehr nach den Bedürfnissen und Vorstellungen der neuen Herren gerichtet. Sie gingen durch Säle mit aufwendigen Mosaikfußböden, wie sie mit Sicherheit kein Ritter und auch kein Großmeister jemals gesehen hatte. Man musste weder Architekt noch Kunsthistoriker sein, um zu erkennen, dass der ganze Palast ein einziges, großformatiges Kalksteinimitat war. Zweifel befielen ihn, ob die Suche hier überhaupt lohnte.
Als sie in einem Saal an einer Gittertür vorbeikamen, die eine nach unten führende Wendeltreppe versperrte, rief Morgen eine der Wachen herbei. Er präsentierte seinen Passierschein, wechselte einige Worte, und kurze Zeit später hatte der Mann einen Schlüsselbund besorgt und öffnete ihnen damit den Zugang.
Die Treppe war stark verwittert und schien wesentlich älter zu sein als die restlichen Mauern. An der Decke verlief ein Kabel, das im weiteren Verlauf der Treppe einzelne Glühbirnen speiste. Während sie hinabstiegen, wuchs Morgens Zuversicht. Sie erreichten ein langgezogenes, niedriges Kreuzgewölbe, das an einen überdimensionalen Weinkeller erinnerte. Es gab keine Fenster, und abgesehen von der Reihe schwacher Lampen, die an der Decke entlang bis an das andere Ende verlief, lagen die Räumlichkeiten im Dunkeln. Es war nun offensichtlich, dass sie sich in einem ursprünglichen Teil des Palastes befanden. Verrostete Metallreste an den unverputzten Wänden schienen ehemalige Fackelhalterungen zu sein, der Steinboden war ausgetreten und hatte eine glänzende Oberfläche.
Während sie durch das Gewölbe gingen, sah Morgen nach links und rechts, doch die Nischen waren alle leer. Natürlich, dachte er, wenn schon elektrische Leitungen installiert worden waren, dann hatte man sich hier auch gründlich umgesehen. Er musste Bereiche finden, die man nicht erschlossen hatte, nur dort konnte sich die Stele befinden.
An der Spitze seiner Männer ging er weiter, bis er am Ende des Raums auf eine Tür stieß. Vielmehr war es lediglich ein Durchgang, denn in der steinernen Zarge waren nur noch die verwitterten Löcher für die Stifte einer Aufhängung zu sehen, die eigentliche Tür fehlte. Hier endete die Stromversorgung, und nur die letzte Glühbirne warf ihren kargen Schein in den hinter dem Durchgang quer verlaufenden Gang. Er war mit Geröll gefüllt.
»Wir brauchen jetzt die Lampen«, sagte Morgen zum Unteroffizier.
»Ja, Herr Doktor.« Rosner wandte sich an seine Männer. »Ihr habt es gehört. Lampen anmachen!«
»Und dann«, fuhr Morgen fort, »sollen sie das Geröll herausschaffen, damit wir den Gang betreten und untersuchen können. Ich möchte jedes auffällige Stück sehen, das Sie rausholen.«
Rosner gab die Instruktionen an seine Leute weiter, die bereits damit beschäftigt waren, die Laternen zu entzünden. Kurze Zeit später begannen die Soldaten, die Trümmer hervorzuholen. Morgen begutachtete die Stücke. Der größte Teil bestand aus alten Backsteinen und unförmigen Steinbrocken, von denen Sand und Gips abbröckelte. Schnell lichtete sich der Durchgang.
»Es war nur ein kleiner Schutthaufen«, berichtete Rosner. »Wir können in den Gang hinein. Nach links und rechts scheint er einigermaßen frei zu sein.«
Morgen nickte, nahm sich eine der Laternen und ging zum Durchgang. Ja! Das war es! So hatte er es sich vorgestellt, so würde es aussehen! Der Gang musste zu früheren Zeiten eine besondere Bedeutung gehabt haben. Er war sorgfältig bearbeitet, ganz anders als das Gewölbe, durch das sie gekommen waren. Die Mauern schienen einst vollständig verputzt gewesen zu sein. An vielen Stellen waren Reste von Wandmalereien in verblassten Farben zu erkennen, es mochten Wappen und Schmuckornamente gewesen sein. Entlang der Seiten befanden sich in regelmäßigen Abständen Nischen, wie um dort Statuen oder besondere Artefakte aufzustellen oder um Gemälden einen besonderen Rahmen zu geben. An mehreren Stellen lag weiteres Geröll, die Decke war zum Teil eingebrochen, aber es war noch gut zu
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