Projekt Wintermond
Katzen streunten durch die Gassen. Sie hielten vor dem Hotel. Kelso musterte den Schuppen mit Abscheu. »Haben Sie nichts Besseres gefunden, Grimes?«
»Seien Sie froh, dass wir überhaupt Zimmer bekommen haben. Hier findet zurzeit eine Bankerkonferenz statt, und die beiden anderen Hotels, bei denen ich mein Glück versucht habe, waren belegt. Entweder wir nehmen die Zimmer hier, oder wir müssen im Auto übernachten.«
Der Anblick von vier Amerikanern mit leichtem Handgepäck schien den Nachtportier nicht weiter zu beunruhigen. Der füllige Schweizer war es gewohnt, mitten in der Nacht fragwürdige Gäste zu empfangen. Er ließ von den neuen Gästen die Anmeldeformulare ausfüllen, ehe er ihnen die vier Einzelzimmer im zweiten Stock zeigte.
»Von halb sieben bis neun Uhr gibt es Frühstück, meine Herren. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
»Warten Sie. Ich muss kurz mit Ihnen sprechen.« Kelso legte dem Nachtportier eine Hand auf die Schulter und wechselte auf dem Treppenabsatz ein paar Worte mit ihm. Nach dem Gespräch steckte er ihm ein großzügiges Trinkgeld zu und ging zu den anderen zurück. »Bringen Sie Ihre Sachen in Ihre Zimmer und kommen Sie in zwei Minuten zu mir. Sie auch, Ryan. Dann sage ich Ihnen, wie wir Jennifer finden werden.«
Mark schloss die Tür zu seinem Zimmer auf. Bettdecke und Vorhänge waren aus einem hässlichen Stoff mit Blümchenmuster, der allem Anschein nach schon etliche Jahre auf dem Buckel hatte. Immerhin verfügte das Zimmer über ein Telefon. Er musste unbedingt Lou Garuda anrufen und sich nach Bobby erkundigen. Der Zeitunterschied betrug sieben Stunden; in New York war es achtzehn Uhr dreißig.
Garuda ging abends meist auf einen Drink in eine Bar; deshalb beschloss Mark, den Anruf nach der Besprechung mit Kelso zu machen. Er legte seine Reisetasche aufs Bett, ging zu Kelsos Zimmer und klopfte an. Grimes und Fellows waren bereits dort. Kelso bat Mark in das kleine Zimmer.
»Jennifer und McCaul müssen mobil sein«, begann Kelso. »Daher werden sie morgen früh einen Wagen mieten oder mit dem Zug oder dem Bus fahren. Nach Auskunft des Nachtportiers gibt es hier eine Hertz-Autovermietung. Wir beginnen vor der offiziellen Öffnungszeit mit der Observierung dieser Geschäftsstelle. Das übernehmen Sie, Ryan. Fellows behält den Busbahnhof im Auge, ich den Bahnhof. Inzwischen ruft Grimes bei allen Hotels an und versucht herauszufinden, ob Jennifer und McCaul irgendwo abgestiegen sind. Es soll hier ungefähr zwölf Hotels unterschiedlicher Kategorien geben, und noch einmal ein Dutzend in der Umgegend. Der Portier reicht mir eine Liste rein.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Kelso. Die beiden könnten auch in einer Pension oder in einer Privatunterkunft übernachten.«
»Das finden wir schon heraus. Wir fangen mit den Hotels an und nehmen uns dann nötigenfalls die Pensionen und Privatunterkünfte vor. Wenn wir hier fertig sind, rufe ich in Langley an. Die Kollegen sollen sämtliche größeren Hotels und Autovermietungen im Umkreis von fünfzig Kilometern überprüfen und die Buchungen checken. Außerdem lasse ich die Abbuchungen der Kreditkarten McCauls und Jennifers überprüfen. Wenn irgendwo was abgebucht wurde, werden wir es erfahren, auch wenn sie in irgendeiner schäbigen Pension abgestiegen sind. Mit ein bisschen Glück liegen uns noch heute Nacht Informationen über ihren Aufenthaltsort vor.«
»Das soll klappen?«
»Mir stehen sämtliche Mittel der CIA zur Verfügung. Noch Fragen? Gut. Dann sollten wir uns jetzt alle aufs Ohr hauen. Der Portier weckt uns um sechs. Das sind vier Stunden Schlaf.«
Mark hatte sich ausgezogen. Ihm pochte der Schädel. Seit sechsunddreißig Stunden hatte er kein Auge zugemacht. Er warf einen prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel. Mit dem Pflaster auf der Stirn und dem versengten Haar sah er arg mitgenommen aus. Nachdem er sich flüchtig gewaschen hatte, setzte er sich aufs Bett und wählte Garudas Nummer. Nach mehrmaligem Klingeln schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Mark hinterließ den Namen des Hotels sowie seine Zimmernummer und bat um dringenden Rückruf.
Mit einem tiefen Seufzer zog er die Vorhänge zu. Wenn Kelsos Vermutung stimmte, hielten sich Jennifer und McCaul irgendwo dort draußen auf. Mark fragte sich, wie nahe die beiden sich gekommen waren, und verspürte einen leichten Stich der Eifersucht. Am liebsten hätte er auf der Stelle mit der Suche nach Jennifer begonnen, doch Kelso hatte Recht: Wenn
Weitere Kostenlose Bücher