Projekt Wintermond
sauberes T-Shirt und einen frischen Slip an. Anschließend ging sie zu Bett. Die Matratze war hart, und das Bett knarrte, aber in dieser Nacht war sie froh, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.
Ihre Umhängetasche lag neben der Schlafstelle. Jennifer nahm das Handy heraus und schaltete es ein. Sie überlegte, ob sie Mark anrufen sollte, um sich nach Bobby zu erkundigen. Leider war die Batterie fast leer, und sie konnte sie erst aufladen, wenn die Stromversorgung im Kloster wieder funktionierte. Deshalb schaltete sie das Handy aus und nahm sich vor, Mark morgen anzurufen. Jennifer blies die Kerze aus, legte sich hin und versuchte einzuschlafen. Sie war erschöpft. Trotzdem bezweifelte sie, sofort einschlafen zu können. Die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden warfen zahllose Fragen auf, auf die sie keine Antworten wusste und die ihr Furcht einflößten.
Die beiden Männer im schwarzen BMW fuhren durch die verlassenen Straßen von Varzo. Es regnete in Strömen. Ein Stück hinter dem Ortsausgang hielt der Fahrer, ohne den Motor abzustellen. Das trübe Licht der Scheinwerfer fiel auf den Berg und das Hinweisschild: Monastero.
Der blonde Beifahrer nickte dem Fahrer zu, und dieser fuhr den Berg zum Kloster der Dornenkrone hinauf.
32
Turin
»Was ist langfristig gesehen die größte Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten, Ryan?«
Im Krankenzimmer herrschte Stille. Mark saß Kelso gegenüber auf einem Stuhl. »Das werden Sie mir bestimmt gleich sagen.«
»Terrorismus? Terrorstaaten, die Atomwaffen bauen und denen die Vereinigten Staaten von Amerika ein Dorn im Auge sind?« Kelso schüttelte den Kopf. »Das organisierte Verbrechen. Genauer gesagt, das organisierte Verbrechen aus Russland – die Russenmafia. Und wissen Sie, warum? Weil die Russenmafia überall ihre Finger im Spiel hat. Die Liste ihrer Verbrechen ist so lang wie die Chinesische Mauer. Internationaler Drogenhandel, Erpressung, Prostitution, Betrug, Schmuggel, Geldwäsche, Auftragsmorde… Die CIA schätzt, dass die Russenmafia in den letzten zehn Jahren weltweit um die fünfzig Milliarden Dollar umgesetzt hat, und das ist eine vorsichtige Schätzung. Wir sprechen hier über Verbrechen im ganz großen Stil. Die Rote Mafia ist so gut organisiert und so brutal, dass die italienische Mafia dagegen fast wie eine Bande harmloser Kleinkrimineller anmutet.«
Kelso stellte sich ans Fenster und zog die Gardine zurück. »Nicht weit von hier, auf Schweizer Boden, gibt es eine Schule, die Sie interessieren könnte. Es ist die teuerste Privatschule der Welt. Jeder Schüler muss pro Jahr hunderttausend Dollar hinblättern. Und wissen Sie was? Ein Viertel der Schüler sind Kinder russischer Gangster.«
»Danke für die Belehrungen, Kelso. Was hat das mit Paul March zu tun?«
Kelso zog die Gardine wieder zu. »Darauf komme ich gleich. Die Russenmafia hat mit gewaschenem Geld Immobilien, Aktien und Firmen gekauft, und das alles hat nur einen einzigen Grund: Sie wollen ihre illegalen Gewinne waschen. Ein legales Unternehmen ist eine perfekte Geldwaschanlage. Es ist keine Übertreibung, wenn manche Politiker erklären, die größte Bedrohung des Westens wären heute die Milliarden Dollar, die von der Russenmafia umgesetzt werden. Was glauben Sie wohl, in welchem Land die Rote Mafia die größten Summen investiert? In den Vereinigten Staaten. In unseren Firmen, auf unserem Aktien- und Immobilienmarkt, über unsere Banken und durch die feindliche Übernahme legaler Unternehmen.«
»Was hat das alles mit March zu tun?«
»Sie wissen, dass er bei Prime International beschäftigt war?«
»Klar.«
»Das Unternehmen hat vor einem Jahr dichtgemacht, in aller Stille, ohne Aufsehen zu erregen. Vorher galt das Unternehmen offiziell als seriöse Investmentbank. Allerdings gehörte es der Roten Mafia. Es diente einzig und allein dazu, Geldwäsche in großem Stil für eine Scheinfirma auf den Cayman-Inseln zu betreiben. Diese Machenschaften gehörten zu internationalen Operationen in großem Stil, die bis zum heutigen Tage im Gang sind. Dabei geht es um viel mehr Geld, als es beim Drogenboss Pablo Escobar in Kolumbien jemals der Fall war. An der Spitze steht eine Bande Krimineller, von der Sie wahrscheinlich nie gehört haben, der so genannte Moskaja-Klan.«
»Hab ich wirklich noch nie gehört. Klären Sie mich auf.«
»Das sind die miesesten Ratten, mit denen man sich anlegen kann.« Kelso schnippte mit den Fingern. »Die zögern
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