Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Tyrannen, als wenn es nur eine einzelne Person wäre, und einen sogar noch grausameren Tyrannen, denn es gibt nichts Schrecklicheres als jenes Monster, das fälschlicherweise den Namen und die Erscheinung eines Volkes annimmt. (aus: De Republica).
Ganz ähnlich skeptisch urteilte im dreizehnten Jahrhundert der Philosoph Thomas von Aquin: » Wenn aber die ungerechte Regierung von vielen geführt wird, so heißt das Demokratie, das ist Volksherrschaft, in der die breite Masse durch die Macht ihrer Überzahl die Reichen unterdrückt. Dann wird das ganze Volk wie ein einziger Tyrann sein.«
Weil sie Demokratie nicht für einen Garanten der Freiheit, sondern ganz im Gegenteil für eine Bedrohung der Freiheit hielten, bauten ja auch die Gründerväter der Vereinigten Staaten, da ganz in der Tradition von Aristoteles, Cicero und Thomas von Aquin stehend, ihr junges Gemeinwesen nicht demokratisch, sondern vor allem republikanisch auf. Erst unter dem siebenten Präsidenten der Vereinigten Staaten (Andrew Jackson) wurde das Wahlrecht für alle männlichen Amerikaner eingeführt. Bis dahin durften nur die Besitzenden wählen. Amerika wurde nicht als Demokratie, sondern als aristokratische Republik gegründet.
Wie sehr die Gründerväter in Wirklichkeit der Demokratie misstrauten, beschreibt der Wiener Philosoph Rahim Taghizadegan in seinem eleganten Essay »Demokratie« treffend: »… Die US-Gründerväter waren allesamt dezidierte Antidemokraten. Nicht weil sie durchwegs von bösartigen Intentionen getrieben waren, ganz im Gegenteil. Ihr Studium der Geschichte ließ sie bei dem historisch einmaligen Vorgang einer Neubegründung eines Staatswesens auf der tabula rasa eines riesigen Kontinents mit noch vielen leeren Flecken größte Vorsicht an den Tag legen.
In Übereinstimmung mit fast allen historischen Denkern von Rang schlossen die Gründerväter, dass eine Demokratie allenfalls in kleinen, lokalen Gemeinwesen funktionieren kann und selbst dort stets in größter Gefahr steht, ins Unrecht zu kippen. … Entsprechend wurden die Verfassung und die jungen Institutionen gezielt darauf ausgerichtet, eine Demokratie zu verhindern. Dass eines Tages die bloße Mehrzahl durch zufällige Mehrheiten auf kontinentaler Ebene als gleichförmiger Moloch die Geschicke des Landes regieren würde, galt als Schreckgespenst. Vieles erinnert heute noch an diese Konstruktion einer Republik, wird heute aber nicht mehr verstanden und als seltsames Fossil belächelt – etwa die komplizierte Struktur der Wahlmänner. «
Ganz ähnliche Skepsis hat noch 1896 der schwedische Ökonom Knut Wicksell artikuliert, nicht ganz zu Unrecht, wie gerade die schwedische Geschichte des 20. Jahrhunderts belegt: » Wenn einmal die unteren Klassen definitiv in Besitz der gesetzgebenden und steuerbewilligenden Gewalt gelangt sind, wird allerdings die Gefahr vorliegen, dass sie ebenso wenig uneigennützig verfahren werden wie die Klassen, welche bisher die Macht in den Händen hatten, dass sie m.a.W. die Hauptmasse der Steuern den besitzenden Klassen auferlegen und dabei vielleicht in der Bewilligung der Ausgaben, zu deren Bestreitung sie selbst nunmehr nur wenig beitragen, so sorglos und verschwenderisch verfahren, dass das bewegliche Kapital des Landes bald nutzlos vergeudet und damit die Hebel des Fortschritts zerbrochen sein werden. « (»Über ein neues Prinzip der gerechten Besteuerung«)
Es ist nicht nur die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit, die in Demokratien die Freiheit des Individuums zu drangsalieren droht. Es ist auch die dem demokratisch organisierten westlichen Wohlfahrtsstaat offenkundig immanente Neigung, sich in das Leben des Einzelnen einzumischen und regelmäßig Freiheitsräume einzuengen und zurückzudrängen.
Dabei scheint es sich um eine Naturgesetzlichkeit des demokratischen Betriebssystems zu handeln.
Denn die Mehrheit der Kevins und Jessicas findet es völlig normal, bei jeder Beeinträchtigung ihres Wohlempfindens nach dem Staat zu rufen, damit er jene Beeinträchtigung beseitigt und das gewohnte Komfortniveau wiederherstellt, und zwar möglichst flott. Wie die verzogenen Kinder einer reichen Familie pflegen die Insassen der demokratischen Wohlfahrtsstaaten den Staat als eine Art stets verfügbarer Macchiato-Mami zu verstehen, der man mit etwas Gequengel jederzeit abtrotzen kann, wonach einem gerade der Sinn steht.
Dem Staat kommt dieses infantile Verhalten des Wählers völlig zupass. Es gibt ihm einen perfekten Grund,
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