Promenadendeck
beweisen? Nichts. Gar nichts. Ich spüre es nur, daß er die Gefahr ist. Ich bin da wie ein Tier, das den Gegner wittert. Und er ist es, dafür halte ich meinen Kopf hin!
Das Schießen dauerte über eine Stunde.
Einer nach dem anderen stieg aus, zuerst die beiden Freunde, dann die beiden zurückhaltenden Herren, ihnen folgten Tatarani, Brandes und – immerhin mit sieben Treffern sehr erfolgreich – François de Angeli. Wie ein Torero stieg er die Treppe hoch, und ein paar Frauen klatschten Beifall. Es war fast peinlich, denn jede der Damen blitzte die anderen feindselig an. Zum Stechen blieben – jeder mit acht Treffern – der Prinz, de Jongh und Hans Fehringer zurück.
An der Reling der verschiedenen Decks standen jetzt Menschen und starrten hinunter. Es hatte sich herumgesprochen, daß hier ein interessantes Duell stattfand. Das wollte man erleben, es war eine aufregende Abwechslung.
Knut de Jongh lehnte an der Reling, während der Prinz als erster sein Gewehr auswählte. Er war der Älteste und hatte den Vortritt. Fehringer stand am Klapptisch und schielte zum Sonnendeck. Sylvia war nun doch gekommen. In einem roten Bademantel, mit riesigen Orchideenblüten bedruckt, stand sie an der Reling, unübersehbar, ein Traum von einer Frau. So dachte auch de Jongh und nagte an der Unterlippe, als Fehringer zurücktrat und sich neben ihn lehnte.
»Wenn ich siege, trete ich Ihnen hier vor allen Leuten in den Arsch!« sagte de Jongh verhalten.
»Natürlich. So war's ja ausgemacht. Leider kann ich in der Öffentlichkeit nicht das tun, was ich möchte, wenn ich siege …«
»Sie Saukerl!« knurrte de Jongh zwischen den Zähnen. »Ich weiß, an was Sie denken.«
»Nichts wissen Sie, de Jongh! Und deshalb platzen Sie fast. Sie sollten sich mal bei Dr. Paterna den Blutdruck messen lassen. Ein EKG kann er ebenfalls machen. Das Hospital ist bestens eingerichtet.«
»Auch für Notoperationen!« De Jongh holte tief Atem. Der Prinz krähte »Hopp!«, und die erste Tontaube schnellte in den blauen, wolkenlosen Himmel. Vorbei. Fahrkarte, wie der Schütze sagt. Noch drei Schüsse gingen daneben. Entnervt legte der Prinz das Gewehr hin und winkte ab. Er war aus dem Rennen. Keine Chance mehr.
»Nun Sie!« sagte Fehringer und machte eine kleine Verbeugung. »Gut Schuß, Herr Kollege …«
»Sie können mich kreuzweise!« De Jongh ging zum Tisch, suchte sein Gewehr aus und trat an die Reling. Ohne lange zu warten, brüllte er »Hopp!«, riß die Waffe hoch und schoß. Treffer. Die Tonscheibe zerspritzte. Der erste Beifall tönte auf.
»Hopp!«
Treffer.
»Hopp!«
Treffer.
Beim siebten Treffer steigerte sich der Beifall. De Jongh schielte nach oben. Auch Sylvia applaudierte; das war ungewöhnlich, aber es freute ihn doch. Warte nur, mein Liebling, was jetzt kommt! Die letzten drei Patronen habe ich in der Hand. Das wird Schlag auf Schlag gehen … so schnell hat der Matrose noch nie die Wurfmaschine geladen …
Acht. Treffer. Neun. Treffer. Jetzt riefen einige Passagiere schon bravo. Knut de Jongh schob die letzte Patrone in sein Gewehr. Aber dann zögerte er, nur eine Sekunde, aber er stockte. Umdrehen und diesem blonden Affen den letzten Schuß gegen den Kopf ballern, dachte er. Man wird ihn nicht wiedererkennen, so wird er aussehen. Eine einzige blutige Masse aus Fleisch, Knochen und Gehirn. Oh, wie gern würde ich das tun!
Er drehte sich ab, hob das Gewehr und schrie mit aller Kraft sein »Hopp!«. Die Tontaube trudelte in den Himmel, wirklich, sie flog nicht, sie trudelte wie betrunken und kam so außerhalb des Zielgefühls von Knut de Jongh. Blitzschnell dachte er: Absetzen und eine einwandfreie Scheibe verlangen, das war sein Recht, oder doch schießen?
Er drückte ab. Nie in seinem Leben hatte er das Risiko gescheut und immer gewonnen. Und auch jetzt gewann er … die Tonscheibe zerplatzte, als sie ihren Flug beendet hatte und direkt abwärts in den Schuß stürzte.
Das Schiff hallte wider vom Beifall der Passagiere. De Jongh atmete tief auf, trat zurück, legte sein Gewehr auf den Klapptisch und ging zur Reling. Hans Fehringer trat vor. Er hatte gesehen, wie Sylvia bei jedem Treffer ihres Mannes geklatscht hatte, pflichtschuldig, wie er annahm, und er war nun gespannt, ob sie auch bei seinen Treffern applaudieren würde. Etwas weiter links lehnte Dr. Schwarme neben seiner Frau Erna an der Reling und hob beide Daumen hoch, als Fehringer hinaufblickte. Er nickte, nahm sein Gewehr und trat an die
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