Promenadendeck
Ein Hauch von Mafia umwehte sie.
Dr. Schwarme hatte der ersten Stunde zugesehen, de Angeli mit finsterem Blick gemustert und das alles sehr blöd gefunden. Die Raimondis tanzten Quickstep vor, dem hinterher donnernder Applaus folgte, dann versuchten die Schüler die ersten Schritte, wobei sich bereits herausstellte, wer mit rhythmischem Gefühl begabt war. Erna Schwarme hatte Rhythmus, ihr ganzer schöner Körper tanzte mit. Dr. Schwarme verließ ärgerlich den Sieben-Meere-Saal und suchte einen Gesprächspartner. Da auch der Wanderer Ludwig Moor mittanzte – seine Partnerin war eine dürre, etwas hektische Dame, die ab und zu in ein unmotiviertes Lachen ausbrach – und Dr. Paterna im Hospital Sprechstunde abhielt, traf er auf Knut de Jongh, der mit einem gläsernen Krug Bier einen Platz an einem der Tische auf dem Sonnendeck suchte.
»Das ist das einzig Richtige!« sagte Dr. Schwarme. »So vielen hat man ein Denkmal gesetzt, nur dem Erfinder des Bieres nicht.« Er holte sich ebenfalls ein Glas vom Faß und kam zu de Jongh an den Tisch zurück. »Darf ich?«
»Bitte, der Stuhl ist ja noch frei.«
Dr. Schwarme nahm Platz, versenkte sich in einen langen Schluck und atmete dann auf.
»Hat Ihre Frau Sie auch allein gelassen?«
De Jongh sah Dr. Schwarme mißtrauisch an. »Warum?«
»Meine ist beim Tanzkursus und hüpft herum wie eine Zulutänzerin. Wie so eine Seereise doch die Frauen verändert! Man lernt ganz neue Seiten an ihnen kennen. Wie sagte doch ein Dichter: ›Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz …!‹ Wo ist denn Ihre Frau?«
»Auf dem FKK-Deck.«
»Und da sitzen Sie hier so ruhig mit einem Bier herum?«
»Warum denn nicht?« De Jongh spürte, wie seine Augenwinkel zu zucken begannen. Was hatte dieses dämliche Gerede zu bedeuten? Wußte Dr. Schwarme mehr über Sylvia? War sie etwa gar nicht auf dem abgesperrten Deck?
»Ich wäre bei meiner Frau nicht so ruhig. Ihre Gattin ist eine wahre Schönheit, ich würde sie nicht allein unter diesen Nackten liegen lassen. Ich nehme an, das FKK-Deck ist für jeden da.«
»Natürlich!«
»Also auch für charmante Männer.« Dr. Schwarme lachte etwas ironisch. »Als alter Ehekrüppel kommt man da nicht mehr mit. In jedem Menschen steckt die Neugier und ein Entdeckungsdrang. Neuland reizt immer.«
Knut de Jongh schwieg betroffen. Erst jetzt fiel ihm auf, daß er den blonden Affen, diesen Fehringer, nirgendwo an Deck gesehen hatte. Auch in den Bars war er nicht gewesen. Er trank sein Bier aus und erhob sich. Dr. Schwarme sah zu ihm auf, ein erfolgreicher Mephisto.
»Noch einen schönen Tag!« sagte Knut de Jongh.
»Wo wollen Sie jetzt hm?« fragte Dr. Schwarme unschuldig.
»Das geht Sie einen Dreck an!«
»Danke!«
»Gern geschehen.«
Mit vorgestrecktem Kinn wie ein Boxer, der auf seinen Gegner losmarschiert, ging Knut de Jongh zu den Treppen und stieg hinauf. Vor der eisernen Tür auf dem abgeteilten Nelsondeck blieb auch er stehen und zögerte. Der Gedanke, gleich nackt an den vielen neugierigen Blicken vorbeigehen zu müssen, war ihm unangenehm. Nicht, daß er einen Körper hatte, den man verstecken mußte, o nein, aber genau das war es, was ihn zögern ließ. Es gab da etwas, das Männer durch sofort angestellten Vergleich zu Kleinwüchsigen degradierte. Es frei herumzutragen, kostete eine wirkliche Überwindung.
De Jongh schnaufte durch die Nase, überwand seine Hemmungen und betrat das FKK-Deck. Hinter der Tür zog er seine Badehose aus, klemmte sie unter den Arm und stieß zunächst auf die beiden gewaltigen Damen. Sie hoben bei seinem Eintritt die Köpfe, und ein sichtbares Staunen überzog ihre fettglänzenden Gesichter. Gerade im Alter lebt man in gewissen Erinnerungen.
Verbissen ging de Jongh weiter – und dann sah er Sylvia in ihrer wundervollen Nacktheit ganz hinten liegen, ruhig und gesittet, ihren Körper der Sonne und dem warmen Wind ausgesetzt. Es wäre ein erfreulicher Anblick gewesen, wenn nicht neben ihr, ebenfalls nackt, der widerliche blonde Affe gelegen hätte.
Knut de Jongh bat innerlich Dr. Schwarme um Verzeihung für seine Grobheit, nahm seine Badehose in die rechte Faust und überquerte das Deck. Vor Sylvia und Hans Fehringer blieb er stehen und schwieg. Sie hatten die Augen geschlossen und gaben sich ganz der Wärme hin.
Stumm betrachtete de Jongh die beiden Körper. Sie paßten ideal zueinander, und er stellte sich vor, wie sie sich vereinigten mit der Wildheit, zu der Sylvia fähig war. Mit
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