Promenadendeck
Kopf.
»Was haben Sie?« fragte Thea Sassenholtz. »Was mißfällt Ihnen? Warum schütteln Sie den Kopf?«
Juan de Garcia lachte. »Es ist merkwürdig«, meinte er. »Ich kann die schönsten Indiomädchen haben. Die Väter der besterzogenen Töchter der Costa-Rica-Gesellschaft würden mich an ihre goldschwere Brust drücken, wenn ich eine von ihnen nähme. Und was passiert mir jetzt? Wir kennen uns erst einen einzigen Tag, und doch wäre ich schon bereit, Sie genauso wie Ihr Mann zärtlich ›Blümchen‹ zu nennen.« Das Endsignal ertönte, man durfte sich abschnallen. Garcia tat es sofort und erhob sich vom Sitz. »Aber bitte vergessen Sie das sofort wieder, Señora.«
Sie nickte, spürte ihr Herz heftig klopfen und ermahnte sich: Sei vernünftig! Komm nicht aus dem Tritt. Reiß dich zusammen, Großmütterchen …
Juliane Herbitina Prinzessin v. Marxen, alias Juliane v. Haller hatte es endlich erreicht, daß die hübsche Stewardeß Marianne sie in der Kabine 156 besuchte. Prinz Friedrich Enno saß, eingewickelt in einen brokatbestickten Hausmantel, wie fiebernd auf der Polsterbank am Fenster, das Gesicht gerötet, ein Glas Burgunder vor sich und eine Zigarre zwischen den leicht zitternden Fingern.
In der Kabine roch es nach einem süßlichen Parfüm, als käme man in das Boudoir einer Dame, die ihren Körper für ein nächtliches Abenteuer von oben bis unten eingesprüht hatte. Die Klimaanlage summte leise. Aus dem Radio klang leise klassische Musik: ein Klavierkonzert von Liszt. Das Studio an Bord bespielte zwei Kanäle; einen mit Unterhaltungs- und Tanzmusik und einen mit ausgewählten klassischen Stücken. Zur Stunde spielte Swjatoslaw Richter, der sowjetische Pianist, der beste der Welt.
»Kommt sie wirklich?« fragte der Prinz. In seiner Stimme bebte Erwartung. »Was hast du ihr denn gesagt?«
»Das habe ich dir nun schon fünfmal erklärt.« Die Prinzessin, in einem langen Abendkleid aus Chiffon, tiefblau und mit Orchideenzweigen in Weiß und Rosa bedruckt, sog an ihrer langen, goldenen Zigarettenspitze und blies den Rauch gegen das Gitter der Klimaanlage über der Flurtür. »Sie kommt!«
»Sicher?«
»Wenn sie ihr Versprechen hält …«
»Wenn!« Der Prinz seufzte schwer. Das Weinglas in seiner Hand zitterte. »Du warst vielleicht zu deutlich?«
»Ich habe gesagt, sie könne sich ganz leicht fünfhundert Mark verdienen – oder sogar fünftausend bis zur Ankunft in Sydney. Sie geht auch erst in Australien von Bord und fliegt zum Urlaub nach Deutschland zurück. Sie hat einen Freund, einen Studenten; mit dem will sie dann in die Berge, Skilaufen. Nach soviel Tropensonne muß es richtig geil sein, im Schnee zu wühlen.«
»Sprich nicht so ordinär, Juliane Herbitina.« Der Prinz verzog gequält sein faltiges Gesicht. »Dieses Warten!«
»Es erhöht die Spannung. Du wirst hinterher rundum zufrieden sein, Friedrich Enno.«
Endlich klopfte es an die Kabinentür. Die Prinzessin ging hoheitsvoll hin, um zu öffnen, der Prinz trank noch schnell einen Schluck Wein und leckte sich über die Lippen.
Marianne aus Köln war ein nettes Mädchen. Zuerst hatte die Prinzessin die etwas pummeligere Hermi in Betracht gezogen, aber schon das erste Kontaktgespräch zeigte, daß sie ungeeignet war. Die Kleine hatte Grundsätze, und einer davon lautete: Keine privaten Kontakte zu den Passagieren. Im Dienst höflich – und außer Dienst ebenso höflich – sonst lief da nichts. Ihr Ziel war es, einmal Hosteß zu werden, so wie Laura, die als Chefhosteß beim Kapitänscocktail neben Teyendorf in einem großen Abendkleid an der Glastür zum Sieben-Meere-Saal stand und ihm die Gäste vorstellte. Außerdem verwaltete sie die Bordbibliothek, veranstaltete Schach- und Bridgeturniere, betreute die Treffen der vornehmen Rotary- und Lions-Klubmitglieder und war überhaupt die Allwissende an Bord. Mit Hermi ging also nichts.
Marianne aus Köln, rotblond und quirlig, mit graugrünen Augen und einem sinnlichen Mund, langen Beinen und einem spitzen Busen, hatte zwar die Frau v. Haller, als sie das Angebot machte, zunächst auch sehr abweisend angesehen, aber hinter der schönen Stirn schien eine kleine Rechenmaschine zu ticken. Fünftausend Mark extra – das kann man nicht so einfach sausenlassen. Was hieß schon: eine private Betreuung? So arg konnte das gar nicht werden. Herr v. Haller war ein klappriger Greis, vielleicht brauchte er so eine Art private Krankenschwester. Warten wir es ab! Sie hatte zugestimmt und wollte
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