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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bitten, mir diese zwei Tage zu schenken?«
    »Darauf habe ich gewartet.« Sie lächelte plötzlich wie ein junges Mädchen und nestelte an dem Gurt, um sich anzuschnallen. »Dumm, was? Solche Gedanken mit fast sechzig Jahren.«
    »Was heißt fast?«
    »In drei Monaten.« Sie sah ihn forschend an. »Enttäuscht, was?«
    »Warum? Ich bin auch schon fünfundfünfzig.«
    »Bei einem Mann ist das etwas anderes. Graue Schläfen machen ihn ungeheuer interessant. Eine grauhaarige Frau wird dagegen automatisch zur Oma. Und das stimmt. Ich habe einen zwölfjährigen Enkel.«
    »Ich finde das hervorragend.« Garcia legte seine Hand auf ihre Knie. Ich bin verrückt, durchfuhr es Thea Sassenholtz. Seine Berührung macht mich nervös. So etwas in meinem Alter. Wenn ich noch vierzig wäre … und dann dieser Mann! Reiß dich zusammen, Thea – sind das Gedanken einer Großmutter?!
    »Ich bin Witwer. Kinderlos. Kaffeefarmer in Costa Rica. Wenn Sie irgendwo in Deutschland Kaffee kaufen oder eine Tasse Kaffee trinken, ist bestimmt eine Bohne aus meiner Farm dabei. Ein großer Teil meines Exportes geht in Ihr Land. Meine Frau starb mit vierzig Jahren; eine große, schlanke, hübsche Frau mit schulterlangem schwarzem Haar. Eine Aristokratin.« Er blickte aus dem Fenster. Unter ihnen lag jetzt Guayaquil. Das Flugzeug zog einen weiten Bogen über die Stadt zum Flughafen. Die Kathedrale, die Parks, die breiten Avenuen, der träge Fluß mit den Hunderten kleiner losgerissener Mangroveninseln, die zum Delta schwammen und dort wieder verfilzten.
    »Vierzig ist kein Alter«, sagte Thea Sassenholtz vorsichtig. »War sie sehr krank?«
    »Gesund wie kaum ein anderer. Sie wurde ermordet.«
    »Ermor…« Das Wort blieb ihr im Hals stecken. Entsetzt starrte sie de Garcia an. »Das ist ja schrecklich.«
    »Die Politik …«
    »Wieso die Politik?«
    »Im Land hatte sich eine Gruppe gebildet. Sie nannte sich stolz ›Nationale Befreiungsfront‹. Ihr Hauptmotto: Enteignung. Alle Macht dem Volke. In Wahrheit waren es Terroristen, die Guerillabanden bildeten und damit die Farmer überfielen. Ein Kleinkrieg aus dem Hinterhalt. Auch meine Farm griffen sie an. Wir waren zunächst nur fünf Männer und eine Frau – meine Frau. Es gelang uns drei Tage lang, uns zu verteidigen und die Angriffe abzuwehren. Dann … dann traf eine Kugel meine Frau. Ich wollte aufgeben, mir war in diesen Stunden alles egal, sie hätten mich lebendig auf einen Bambuspfahl spießen können – was sie mit anderen schon getan hatten – oder mit Macheten zerhacken. Doch da kamen aus dem Hochland, wo meine Felder hegen, meine Indioarbeiter herab, lautlos und erbarmungslos. Es gab von der Terrorbande keine Überlebenden, meine Indios räumten gründlich auf. Nie wieder hat jemand versucht, mich zu überfallen, so etwas spricht sich rum. Aber meine Frau – Juana Maria – war tot. Die Indios veranstalteten ein Begräbnis für sie, als sei sie eine Mayakönigin gewesen. So etwas hat man noch nicht gesehen.« Er wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Seitdem sind die Indios die einzigen Menschen, die ich liebe. Mit meinesgleichen, mit den Weißen, habe ich nur geschäftlich zu tun.« Er sah Thea Sassenholtz unbefangen an. »Ich gestehe es auch: Ab und zu habe ich eine Indiogeliebte. Entsetzt Sie das?«
    »Gar nicht. Warum? Sie sind ein gesunder Mann …« Sie biß sich auf die Lippen, als habe sie schon zuviel gesagt. »Vor allem ein freier Mann.«
    »Und Sie, Señora?«
    »Mein Mann ist Juwelier, fünf Jahre älter als ich, hat Übergewicht und darum einen zu hohen Blutdruck, liebt Kartoffelknödel und Braten.« Sie lachte hell. »Er ist rundum ein netter, fröhlicher Kerl, der noch nach siebenunddreißig Jahren Ehe zu mir ›Blümchen‹ sagt.«
    »Blümchen?«
    »Als er mich zum erstenmal sah, ich war einundzwanzig, sagte er: ›Sie sehen aus wie ein Blümchen.‹ Damals war ich betroffen, bis ich später merkte, daß er keine Komplimente machen konnte. Blümchen war für ihn das höchste.«
    »Sie sind also glücklich verheiratet?«
    »Ja.«
    »Trotzdem bitte ich Sie um die zwei Tage Guayaquil … Wir werden uns den schönen, erloschenen, jetzt von Gletschern überzogenen Vulkan Chimborazo ansehen, den Ihr Landsmann Alexander von Humboldt bestiegen hat. In den fruchtbaren Talsenken leben die Quechua-Indianer, die noch heute die alte Inkasprache sprechen.«
    Die Maschine setzte zur Landung an, kam weich auf und rollte aus. Plötzlich schüttelte Juan de Garcia den

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