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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hände.«
    »Und wie wollen Sie das verhindern, Herr Dabrowski?«
    »Verhindern kann ich gar nichts.« Dabrowski senkte etwas den Kopf, rückte seine dunkle Brille zurecht und stand auf. Vor einem der Schaufenster stand ein Ehepaar und bewunderte einen Smaragdring. »Ich kann mich nur umsehen und zugreifen. Als Blinder komme ich überallhin. Wer nichts sieht, gilt als ungefährlich, harmlos. Vor dem braucht man sich nicht zu verstecken. Er kann zwar hören, aber was nutzt ihm das, wenn er nicht feststellen kann, wer da spricht. Ein Blinder hat so etwas wie Narrenfreiheit – denken die Sehenden. Auch Carducci wird so denken. Wie könnte ihn ein Blinder stören? Das ist meine große Chance.«
    »Und das können Sie durchhalten? Mehrere Wochen lang?«
    »Ich will's hoffen, Erika. Ich will's hoffen.« Dabrowski tastete sich zur Tür. Das Ehepaar kam in den Laden, machte dem Blinden Platz und sah ihm nach.
    »Von all den schönen Sachen sieht er nichts«, flüsterte die Frau. »Fräulein, was kostet die Brillantspange? Die im zweiten Fenster, unten links …«
    Mit tappenden Schritten, den weißen Stock ab und zu gegen die Gangwand schlagend, ging Dabrowski die Zentraltreppe hinauf, um in der Atlantis-Bar noch ein kühles, schäumendes Pils zu trinken. Er hoffte, dabei einige Bekanntschaften zu machen.
    Ludwig Moor hätte sich diese Reise nie leisten können, wenn er nicht einen Onkel gehabt hätte, der auf die Wahnsinnsidee verfallen wäre, mit neunundachtzig Jahren noch durch den Stillen Ozean zu fahren. Die Vorfreude aber schien zu groß gewesen zu sein, elf Tage vor Antritt der Reise versagte sein Herz, und Ludwig Moor erbte unter anderem auch diese Reise.
    Er gab das Ticket nicht zurück, sondern nutzte die einmalige Gelegenheit, sich den Traum von Millionen zu erfüllen: Einmal in der Südsee sein! Tahiti mit seinen wunderhübschen Mädchen – er kannte natürlich die Gemälde von Gauguin. Die Tongainsel mit ihrem dicken König, der beim Klang deutscher Volkslieder zu weinen begann, Rabaul im Bismarckarchipel, das einmal deutsche Kolonie gewesen war – er hatte davon Briefmarken in seiner Sammlung.
    Das konnte man nicht zurückgeben! Es wäre auch nicht im Sinne von Onkel Fritz gewesen.
    Ludwig Moor war Beamter. Amtsgericht, Grundbuchstelle. Eine korkentrockene Funktion. Hypotheken- und Grundschuldeintragungen und deren Löschungen. Interessant dabei war nur, daß kaum jemals ein Hausbesitzer der wirkliche Besitzer war, sondern fast immer Banken oder Versicherungen, die sich eintragen ließen und dafür das Geld liehen. Das verblüffte Moor immer wieder, seit zweiundzwanzig Jahren. Da steht ein Mensch vor einem Gebäude, sagt stolz: »Das ist mein Haus!«, und was ihm wirklich gehört, mag das halbe Dach sein und vielleicht der Schornstein. Möglich, daß dergleichen irgend etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun hat, mit Geldfluß, mit frei verfügbaren Mitteln oder mit dem spöttischen Motto: »Das beste Leben ist das Leben auf Kredit«, aber Ludwig Moor begriff es nie ganz.
    Jetzt aber hatte er die Gelegenheit, seinen Kollegen im Amtsgericht zu erzählen, daß er auf Bora-Bora in einem der teuersten Hotels der Welt ein Bier getrunken habe und daß eine Südseeschönheit ihm eine Kette aus Frangipaniblüten um den Hals gehängt habe. Er würde damit sogar den Amtsrichter schlagen, der nur bis Gran Canaria gekommen war.
    Nach dem ersten Abendessen gönnte sich Moor einen Ausflug in den Fisherman's Club ganz unten im Schiff, auf dem C-Deck. Brav trank er nur zwei Cocktails, fand die Discomusik zu laut, ärgerte sich über eine Dame mittleren Alters, die mit hochgerafftem Rock wie ein Teenager tanzte, und machte sich ziemlich bald auf den Heimweg zu seiner Kabine 382.
    Er wollte gerade den Lift betreten, als ihn ein markerschütternder Schrei fast gegen die Wand warf. Mit einem Satz stürzte er in die Liftkabine, aber beim Zuschnalzen der Tür hörte er den Schrei noch einmal … hell, durch Mark und Bein dringend, mit einem Unterton, als springe eine Trompete auseinander.
    Der Lift hielt am A-Deck, und ein graumelierter Herr stieg ein. Er starrte den bleichen Moor an und drückte auf den Knopf Sonnendeck.
    »Verzeihen Sie, daß ich Sie anspreche«, sagte er. »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Da war eben ein Schrei … ein gräßlicher Schrei …«, stotterte Moor.
    »Wo?!«
    »Unten. Auf dem C-Deck. Ich habe so einen Schrei noch nie gehört. Ich hatte das Gefühl, der Boden zitterte dabei.«
    »Dr. Schwarme.«
    »Wie

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