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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bemüht, zwischen sich und Sylvia immer einen großen Abstand zu halten. War Sylvia vorn in der Gruppe, bildete er den Schluß, war sie bei den Besichtigungen zurückgeblieben, drängte er sich an die Spitze. Knut de Jongh war das gleichgültig. Er war überall da, wo die anderen nicht waren, fotografierte mit Blitzlicht, wo Blitzlicht verboten war, vor allem in den Kirchen, stellte sich bei einer Trauerfeier, in die sie zufällig hineingeraten waren, unter die Hinterbliebenen und knipste die Weinenden mit den Kerzen, die sie in ihren Händen hielten. »Ein tolles Motiv!« sagte er sogar laut und tauchte den Zeigefinger in das Weihwasserbecken, um ihn dann abzulecken – weil er feststellen wollte, ob hier wirklich das Weihwasser mit Blumenöl vermischt wird. »Alles Schwindel!« sagte er dann enttäuscht. »Lauwarmes Wasser, weiter nichts!« Nur ab und zu warf er einen Blick in die Runde, sah seine Frau Sylvia brav in der Nähe des Fremdenführers, der ein schauriges Englisch sprach, und war vollauf zufrieden.
    Der Bus trug sie nachher hinaus in die Anden, an den Fuß des Chimborazo, schraubte sich auf einer abenteuerlichen Straße das Vulkanmassiv hinauf und blieb dann auf einem Plateau stehen, das man zum Parkplatz ausgebaut hatte. Ein Schild zeigte an: 3.562 Meter.
    Oliver Brandes blieb im Bus sitzen und atmete schwer. Seine Augen flackerten, der Mund zuckte. Dr. Paterna kam zu ihm und setzte sich neben ihn.
    »Sie hat's erwischt!«
    »Ja. Ich habe es Ihnen ja gesagt. Mit mir bekommen Sie noch Ärger. Vor meinen Augen dreht sich alles, in den Schläfen hämmert das Blut, bei jedem Atemzug ist es mir, als würde ich Blei einatmen.«
    »Genau das Gegenteil trifft zu: Die Luft ist dünn.« Paterna holte seine kleine Flasche Sauerstoff aus dem Koffer, gab Brandes Atemmaske und Schlauch. »Bleiben Sie im Bus und atmen Sie ab und zu den Sauerstoff ein. Wenn Sie hier den Hebel drücken, kommt ein Sauerstoffstoß in die Maske.«
    Vor dem Bus wartete ungeduldig Knut de Jongh, wie immer laut tönend. »Herhören!« rief er. »Es geht noch gut fünfhundert Meter höher zu Fuß. Da ist die Luft so dünn, daß ein Furz wie ein Nebel sichtbar wird …« Keiner lachte, was de Jongh für ausgesprochen blöd hielt. Humorlose Menschen machten ihn wild. Daß seine Art Humor aber auf Kosten seiner Mitmenschen ging, begriff er wohl nicht. »Wer also meint, unterwegs die Augen verdrehen zu können, der soll gefälligst Herrn Brandes Gesellschaft leisten!« Da wieder niemand reagierte, zuckte er die Schultern und ging zu Sylvia. »Wie ist's mit dir?«
    »Ich kann!« sagte sie knapp. »Wenn du mal nicht umkippst! So hoch bist du noch nie gewesen.«
    »Einen Knut de Jongh wirft nichts um!« Er schielte hinüber zu Hans Fehringer. Der blonde Lümmel – wie er ihn nannte – war an den Rand des Plateaus getreten und fotografierte ins Tal. Jetzt ein Stoß, dachte de Jongh – und wenn er unten ankommt, erkennt man ihn kaum wieder. Er drehte schnell den Kopf weg, erschüttert von seinen Gedanken, auf die ihn erst der Geistliche gebracht hatte bei seiner Überredungskampagne, auf dem Schiff zu bleiben. Er hatte vorher nie an so etwas gedacht. Eine Tracht Prügel, jawohl, das war schon möglich, eine blutende Nase, aufgeschlagene Lippen, Veilchenaugen, ein geschwollenes Kinn – aber einen Menschen umbringen? Was Priester alles von einem erwarten …
    Dr. Paterna kam aus dem Bus und winkte die Gruppe zu sich heran. »Wer meint, die Luft sei für ihn zu dünn, der bleibe hier bei Herrn Brandes. Keine Mutproben, bitte! Es ist gar keine Schande, jetzt zu gestehen: Ich habe Zweifel, ob es gutgeht. Wer Kopfschmerzen spürt, Schwindelgefühl, Atemnot, wer doppelt sieht: Bitte, bleiben Sie im Bus.« Er machte eine Pause. Niemand meldete sich, am allerwenigsten die drei alten Damen, von denen die jüngste über siebzig war. Sie stützten sich auf ihre Stöcke und sahen frohgemut Dr. Paterna an. Dr. Schwarme warf einen Blick auf seine Frau Erna. Sie schüttelte stumm den Kopf. Na, dann mal zu, dachte er zufrieden.
    Der Fremdenführer sah provozierend auf seine Armbanduhr. Er war für neun Stunden gemietet; wurden es zehn, bezahlte ihm das keiner. Nicht das Touristikbüro, bei dem er angestellt war, und die Fremden schon gar nicht. Ob neun oder zehn Stunden – das Trinkgeld würde sich nicht erhöhen.
    »Also dann los!« sagte Dr. Paterna und nickte der zweiten Begleitung, der Stewardeß Barbara, zu. Sie ging an der Spitze. Paterna wollte als letzter

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