Promenadendeck
Schulter. »Wir fahren jetzt ins Hospital und dann zu Ihren Lieblingen. Ich werde die vertretbar niedrigste Dosis nehmen.«
»Sie werden sie vergiften, Doktor. Genügen nicht fünfundzwanzig Tabletten pro Elefant?«
»Das kann man nur testen. Also, fangen wir an mit fünfundzwanzig.«
»Danke, Doktor.« Ambert standen Tränen in den Augenwinkeln. »Sissy und Berta sind mein ganzes Kapital, mein Leben. Drei Jahre hat es gedauert, bis sie alle Nummern und Tricks konnten. Sie sind für mich wie meine Kinder geworden. Ich kann mit ihnen reden wie mit Ihnen, Doktor, und sie antworten mir. Ich verstehe jeden Laut von ihnen. Doktor, wir müssen sie ganz vorsichtig behandeln.«
»Mit Samthandschuhen.« Dr. Paterna lächelte beruhigend. »Es sind doch Damen, nicht wahr? Und eine einfühlsame Behandlung von Damen ist meine Spezialität.«
Das Ehepaar v. Haller hatte eine ruhige Nacht hinter sich.
Kein Wunder: Herr v. Haller hatte sich bereits in der Atlantis-Bar anständig betrunken, hatte auch schon am ersten Abend an Bord drei Stewardessen den Po getätschelt – was diese noch höflich hinnahmen, aber schnell weitereilten – und war dann, am Arm seiner Gattin hängend, einer Dame von Gardemaß und sicherlich in Jugendjahren einmal eine Schönheit voll hintergründiger Leidenschaft, in seine Kabine Nummer 156 abgeschleppt worden.
Er war ein fröhlicher alter Herr in den Siebzigern, ein charmanter und geistreicher Plauderer, dessen Hirnsklerose allerdings dazu führte, daß er alles dreimal erzählte, ohne es – das muß man loben – zu verändern. Er hatte eine gerade Haltung – »bin alter Kavallerist, saß im Sattel wie eine Eins, Kreuz durchgebogen, Blick geradeaus zum Feind!« – und wehende weiße Haare, die an Einstein erinnerten. Und da war noch etwas, das allerdings – bis auf den Kapitän – niemand an Bord wußte: Er trug einen falschen Namen.
Herr v. Haller war eine Hoheit, eine Durchlaucht, ein Friedrich Enno Prinz v. Marxen, und seine turmartige Gattin hieß Juliane Herbitina Prinzessin v. Marxen, geborene von und zu Oyen. Um mit diesem Namen und auch wegen anderer Dinge nicht aufzufallen, reisten die Hoheiten als v. Haller, schlüpften ganz schlicht und einfach in den niedrigsten Adel.
Es war also eine ruhige Nacht gewesen, der Prinz saß auf der Bettkante und hörte zu, wie seine Frau nebenan im Badezimmer rumorte, dann unter der Dusche prustete wie ein auftauchendes Nilpferd und darauf: »Du kannst jetzt kommen, Friedi!« rief.
Der Prinz seufzte auf und blieb auf der Bettkante sitzen. Seit fünfundvierzig Jahren nannte sie ihn Friedi, seit dem ersten Kuß im Park von Schloß Herrschenhain, und es war ihm nicht gelungen, ihr dieses dämliche, wie aus der Babysprache kommende Wort auszureden. Tiefenpsychologisch gesehen, war das auch einer der Anstöße gewesen, ihn zu dem werden zu lassen, der er jetzt war.
Prinzessin Juliane Herbitina – der Hochadel schmückt sich oft mit seltsamen Namen – kam aus dem Bad und war nackt. An ihr war alles turmartig: die Brüste, die Hüften, die Oberschenkel, das Gesäß – kurz: ein Fleischgebirge, das mit einem Blick gar nicht zu erfassen war. Und trotzdem wirkte sie nicht dick oder gar fett, denn alles an ihr war wohlproportioniert, stand zueinander in einer vollkommenen Harmonie; nur daß es eben jedes Konfektionsmaß sprengte.
Der Prinz seufzte bei diesem Anblick noch tiefer und scharrte mit den nackten Füßen über den Teppichboden.
»Was schlägst du heute vor, meine Teure?« fragte er.
»Wir nehmen die violette Kombination, Friedi.« Sie ging an ihm vorbei – der Boden zitterte unter jedem ihrer Tritte – und blickte durch das Fenster aufs Meer. Ihr Hinterteil hätte ihn früher spontan dazu verleitet, aufzuspringen und ihr zum wiederholten Male zu zeigen, wie's draußen in der Natur zugeht, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Nicht einmal eine intensive Erinnerung bewirkte eine Regung, und Fotos in Pornomagazinen betrachtete er wie Reproduktionen von Rubensbildern. Es gab nur noch eins, was ihn mit seinen dreiundsiebzig Jahren ein wenig aufmunterte und ahnen ließ, wie es in nebelhaften Tagen einmal gewesen sein mußte. Und darüber sprach man jetzt.
»Das Violette, mein Liebes?« fragte der Prinz ergeben. »Wie du meinst. Fangen wir an.«
»Ich sehe fliegende Fische! Nein, ist das schön!« Sie kratzte sich die rechte, marmorfeste Hinterbacke und klatschte dann mit der flachen Hand darauf. Der Hauch eines exotischen Parfüms lag im
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