Promenadendeck
ein Wunder.«
In San Francisco, als die abreisenden Passagiere von Bord gegangen und die neuen noch nicht da waren, hatten geduldig, mit riesigen wehenden Ohren, hintereinander stampfend und sich am Schwanz des Vordermannes festhaltend, zwei Elefanten das Schiff betreten. Sie trotteten durch die Ladeluke, ohne Zögern, als sei eine Seefahrt für sie selbstverständlich, und ihr Betreuer Claude Ambert, im schwarzen Anzug und einem weißen Turban auf dem Kopf, strahlte vor Freude. Er hörte nicht, wie Teyendorf auf der Brückennock sagte: »Das geht hundertprozentig schief!«
»Das ist überhaupt wahnsinnig, Herr Kapitän.« Willi Kempen, der Leitende, der per Sprechfunk mit dem Oberbootsmann unten an der Pier in Verbindung stand, hörte, was man ihm aus dem Laderaum meldete. Die beiden grauen Dickhäuter schienen ganz friedliche Burschen zu sein – pardon, liebenswerte Mädchen, denn es waren Elefantendamen –, sahen sich in ihrem neuen Quartier um, hoben die Rüssel und gaben zufriedene Pustlaute von sich. Ambert gab ihnen als Sonderration ein ganzes Weißbrot; für jede eins mit vier Pfund Gewicht. In einem Nebenraum standen vier große Eimer mit Wasser, um die Brote herunterzuspülen. »Auch wenn wir da eine Menge Stroh haben … die Klötze pissen und scheißen doch. Das gibt bis Acapulco noch eine Riesensauerei, Herr Kapitän.«
»Sagen Sie das den Herren von der Reederei, Kempen.« Teyendorf hatte abgewinkt. »Ich verliere kein Wort mehr darüber. Meine Lippen sind schon fusselig. Und der Erfolg? ›Seien Sie doch nicht so pingelig‹, heißt es; ›was glauben Sie, wie die Passagiere jubeln, wenn die Elefanten auf dem Sonnendeck Rumba tanzen.‹«
»Rumba? Sonnendeck?« Der Leitende bekam starre Augen. »Wie sollen die aufs Sonnendeck kommen?! Über die Treppe? Im Lift? Mit einem Kran außenrum? Das ist doch alles kompletter Irrsinn, Herr Kapitän!«
»Für mich ist die Sache erledigt.« Teyendorf hatte auf die Reling geschlagen, mit geballter Faust. »Darüber soll sich Flesch den Kopf zerbrechen.«
Aber das war nur so eine Rede gewesen. Natürlich geht einen Kapitän alles an, was auf seinem Schiff geschieht. Ohne das Wort des Kapitäns geht überhaupt nichts, fällt keine Entscheidung, werden keine Probleme gelöst. An Bord herrscht bei aller Demokratie und Liberalität in Wirklichkeit ein patriarchalisches Prinzip.
Und so mußte auch jetzt der Kapitän entscheiden, was geschehen sollte. Zwei Passagiere hatten in den frühen Morgenstunden der Nachtwache entsetzt gemeldet: Auf Deck C ist zweimal ein Todesschrei ausgestoßen worden.
»Todesschrei!« sagte Claude Ambert betroffen. »Meine Kleinen haben nur trompetet. Sie sind unruhig, meine lieben.«
»Ich weiß, wie Elefantentrompeten klingt … vom Zirkus, vom Zoo und von einem Ausflug in Sri Lanka.« Teyendorf steckte sich nervös eine Zigarette an. »Für einen ahnungslosen, unbefangenen Passagier muß das im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend sein! So was kann einen Herzinfarkt auslösen, meine Herren. Wer kann denn auch ahnen, daß Elefanten an Bord sind? Da kommt man ganz harmlos aus der Bar und prallt gegen einen entsetzlichen Schrei. Da muß einem ja das Herz stehenbleiben! Herr Ambert …«
»Auch Elefanten sind Lebewesen mit Nerven. Mit zarten Nerven sogar …«
»Was soll das heißen?«
»Sissy und Berta sind seekrank.«
»Das ist doch wohl das letzte!« rief der Leitende, Willi Kempen. »Kotzen sie auch?«
»Noch nicht.«
»Aber sie könnten es?«
»Es sind Säugetiere. Wesen wie Sie und ich.«
»Danke.« Teyendorf sog erregt an seiner Zigarette. »Was also tun? Das Trompeten muß aufhören!«
»Man kann einem Elefanten nicht den Rüssel zubinden, Herr Kapitän!« rief Ambert entsetzt. »Wenn sie nicht seekrank wären, würden sie auch still sein.«
»Rufen Sie Dr. Paterna rauf, Kempen.« Teyendorf ging in seinem großen, holzgetäfelten und elegant eingerichteten Wohnraum hin und her. Holletitz versuchte einen Witz, das war ja sein Beruf: »Steht da ein Mäuserich vor einer Elefantendame und sagt: ›Du, wenn wir uns jetzt lieben, dann …‹«
»Hören Sie auf damit, Holletitz!« unterbrach ihn Teyendorf scharf. »Das kann man nicht mit Witzchen bagatellisieren. Die Elefanten sind seekrank … wieso eigentlich, Herr Ambert? Bei dem ruhigen Seegang?!«
»Es sind äußerst sensible Geschöpfe. Die dünnhäutige Seele der Elefanten ist ja bekannt.«
»Das kann also bedeuten, daß sie immer lauter werden und in immer
Weitere Kostenlose Bücher