Promenadendeck
seine Wonne wider.
»Wie war ich, meine Liebe?«
»Sehr gut. Die Bezeichnung Feuerfunke aber war neu.«
»Die Seeluft. Du sagtest es, meine Liebe. Die Seeluft regt mich an.« Er entledigte sich des violetten BHs, breitete die Arme aus wie zum Frühsport, zog sie an sich heran und streckte sie wieder und betrachtete dabei seine Frau, die sich umzog. »Du hast einen fabelhaften Arsch, meine Gute.«
»Zieh dich endlich um, ich habe Hunger.« Die Prinzessin zog ihr Frotteekleid an und betrachtete sich kritisch im großen Wandspiegel. »Ich habe übrigens eine Stewardeß gesehen, die genau der Typ ist, der dir gefällt. Groß, knabenhaft und schlank, mit einem Bubikopfschnitt. Die in Männerkleidern – das wäre dein Ideal!«
»Sprich mit ihr, mein Schatz.« Der Prinz sprang vom Bett auf. »Sprich sofort mit ihr! Biete ihr einen guten Preis.« Er ging ins Bad, streifte Strapse und Strümpfe ab, trocknete sich ab und war jetzt wieder der alte Mann mit der fahlen, faltigen Haut, den dünnen, muskellosen Armen, der weißen Behaarung. »Laß sie morgen früh in die Kabine kommen und zusehen. Oh, du mußt sie mir nachher zeigen … ein Bubikopf, ein zärtlicher Page … wie wunderbar!«
Eine halbe Stunde später erschienen Herr und Frau v. Haller im Speisesaal, ein elegantes, distinguiertes Ehepaar, das der Obersteward-Stellvertreter selbst an einen noch freien Tisch geleitete, wo er der gnädigen Frau den Stuhl zurechtrückte.
Der Prinz rieb sich die Hände wie ein beschenkter Junge, klemmte ein Monokel ins linke Auge und sagte mit der ganzen Wonne eines Genießers:
»Rührei von vier Eiern mit Champignons und zwei Scheiben Prager Schinken. Dazu Tee, mittelblond, und ein Kännchen Rum. Und Toast … ja, natürlich, Toast, goldgelb bitte.« Er lehnte sich zurück, sah seine Frau strahlend an und setzte hinzu:
»Ist das ein schöner Tag, meine Liebe. So eine Seefahrt ist doch durch nichts zu ersetzen.«
Gegen halb zehn Uhr vormittags ertönte in allen Kabinen, auf allen Gängen, in allen Sälen und Bars, auf allen Decks über Lautsprecher die Stimme des Sicherheitsoffiziers:
»Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit für eine wichtige Durchsage. Die internationalen Sicherheitsbestimmungen schreiben vor, daß zu Beginn einer Seereise eine Alarm-Übung für den Notfall abgehalten wird. Bei dem vorgeschriebenen Sirenensignal – dreimal ein dreimal langgezogener Ton – werden alle Passagiere gebeten, die im Schrank befindliche Rettungsweste anzuziehen, auf das Promenadendeck zu kommen und sich unter ihrem Rettungsboot zu sammeln. Die Nummer des Bootes steht auf der Schwimmweste. Unsere Offiziere werden Sie dort über die Maßnahmen im Notfall aufklären und Ihnen Ratschläge geben. Ich wiederhole: Die internationalen Sicherheitsbestimmungen …«
Es war ein folgenschwerer Zufall, daß sich ausgerechnet in diesen Minuten Oliver Brandes in seiner Kabine auf der Toilette befand. Durch die geschlossene Tür hörte er zwar die Stimme aus dem Radio in der Kabine, aber er verstand die Worte nicht. Als er mit noch hängender Hose ins Zimmer lief, knackte es gerade, und die Stimme war weg.
Oliver Brandes schluckte eine der Tabletten, die ihm Dr. Paterna gegeben hatte, spülte mit Orangensaft nach und ging dann an Deck. Da alle Liegestühle um das Außenschwimmbad besetzt waren, klomm er die Treppen hinauf bis zum Olympiadeck und belegte einen Liegestuhl in der hintersten Reihe, direkt an der Wand, um nicht unmittelbar ins Meer blicken zu müssen. Schon die leichte Dünung, das sanfte Eintauchen des Schiffes und sein Emportauchen, ersichtlich am Horizont, der an der Reling auf und ab glitt, genügten völlig, um bei ihm ein drückendes Gefühl im Magen auszulösen. Er legte sich schnell auf das große Frotteetuch, das ihm der Decksteward mitgegeben hatte, zog den Sonnenhut aus weißem Leinen über die Stirn und döste vor sich hin. Neben ihm rieb sich eine Dame mit einem Sonnenöl ein, das intensiv nach Kokosnuß roch. In der Liegestuhlreihe vor ihm berichtete ein dicker Herr ungeniert von seinem Prostataleiden und tauschte Erfahrungen mit anderen Herren aus.
Auf dieser Strecke, entlang der kalifornischen und mexikanischen Küste, bei diesem glatten Meer und diesem sonnenblauen Himmel kann eigentlich kein Schiff untergehen, dachte Oliver Brandes zufrieden. Hier gibt es keine Eisberge wie damals bei der Titanic, und die gefährlichen Hurrikane wirbeln erst in der Südsee herum. Aber da kommen wir ja noch hin, und bei diesem
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