Promenadendeck
Erholung auf dem Schiff, nicht um andere Menschen anzupöbeln.« Er machte eine weite Bewegung. »Das Schiff hat genügend Liegestühle.«
Das war deutlich. Hans Fehringer blickte zu Sylvia. Ihre Augen flehten ihn an, nichts mehr zu entgegnen und zu gehen. Aber sie sagten ihm auch: Wir sehen uns wieder. Es war ein stummes, aber deutliches Versprechen.
»Wie recht Sie haben«, sagte er trocken. »Es gibt genug Plätze, wo man mit höflichen Menschen zusammensitzen kann.«
Er erhob sich, riß sein Frotteetuch an sich und ging weg. Knut de Jongh blickte ihm finster nach.
»Ein ausgemachter Flegel!« knirschte er. »Was so alles an Bord ist!«
»Du hast dich auch nicht gerade korrekt benommen.« Sie legte sich, dick eingekremt, zurück. »Du hast gebrüllt!«
»Soll ich dem Steward etwa nachlaufen und ihm eine Bestellung zuflüstern? – Mein Gott, was seid ihr alle empfindlich!«
»Es geht eben nicht jeder mit Eisen um.«
»Mein Schmiedehammer hat mich zum Millionär gemacht, und dich auch!« De Jongh ließ sich nach hinten fallen, die Bespannung des Liegestuhles knirschte verdächtig. »Gut. Ich habe etwas laut gerufen. Was soll's?« Er tastete mit der Hand nach ihr und bekam ihren Oberschenkel zu fassen. »Sollten wir nicht schnell auf die Kabine gehen, Schätzchen?«
»Heute nicht, am ersten Tag – ich will Sonne tanken.«
Er seufzte, blinzelte in den wolkenlosen tiefblauen Himmel und wartete auf seinen Aquavit und sein Pils. Dabei trommelte er mit den Fingern auf ihren Oberschenkeln; auch das war eine Art von de Jonghscher Zärtlichkeit.
In der Kabine wurde Hans Fehringer von seinem Bruder nicht gerade freudig empfangen. »Wo bleibst du denn, du Arschloch?« fragte er. »Über eine halbe Stunde zu spät!«
»Entschuldige!« Hans Fehringer hatte nicht den Mut, von seiner Bekanntschaft mit Sylvia de Jongh zu erzählen. Er kannte die Reaktion seines Bruders im voraus. »Der Kaffee hat so lange gedauert.«
»Über eine halbe Stunde? Du weißt, der Nachmittag gehört mir!«
»Gegönnt.« Hans dachte an Sylvia. Ihm wurde plötzlich heiß in der Brust. Was geschah, wenn sein Bruder ihr begegnete und achtlos an ihr vorbeiging? Da sie nicht ahnen konnte, daß zwei Fehringers existierten, würde sie das völlig verwirren. »Wo willst du dich hinlegen?«
»Mal sehen. Wo Platz ist.«
»Man liegt gewöhnlich auf dem Lidodeck. Windgeschützt, das Schwimmbecken gleich vor der Nase, dazu eine kleine Bar. Auf dem Sonnendeck ist zuviel Rummel … wir dürfen so wenig wie möglich auffallen, Herbert!«
Herbert Fehringer, nur mit einer knappen Badehose bekleidet, nickte, zog seinen weißen Bademantel über und griff nach Sonnenöl, Sonnenbrille und einem Taschentuch.
»Vergiß nicht abzuschließen, Hans«, sagte er.
»Bin ich blöd?«
»Manchmal ja.«
»Danke. Die Reise fängt ja gut an! Wann kommst du wieder?«
»So gegen sechs. Heute ist Kapitänscocktail und anschließend Begrüßungsdinner. Große Garderobe. Weißer Smoking. Da wird man wieder Schmuck sehen!«
»Na und?«
»Das scheint der einzige Unterschied zwischen uns zu sein.« Herbert Fehringer steckte noch sein Portemonnaie in die Bademanteltasche. »Dir ist Schmuck völlig gleichgültig, ich aber liebe Schmuck. Ich kann vor einem klaren Smaragd stehen wie vor einem Gemälde.« Er klinkte die Tür auf, blickte in den Gang. Kein Steward war zu sehen, man konnte ungesehen wegschlüpfen. »Mach's gut, Brüderchen!«
Hans Fehringer schloß hinter Herbert die Tür ab, warf sich auf das Bett und machte die Augen zu. Welch eine Frau! dachte er. Und welch ein Ekel von Mann! Es ist die alte, nie lösbare und nie begreifbare Frage: Warum haben die schönsten Frauen immer die schrecklichsten Männer?
Er schrak hoch. An der Kabinentür klopfte es. Der Steward.
»Es ist alles in Ordnung!« rief Fehringer. »Ich möchte etwas schlafen.«
Der erste Tag an Bord. Und noch so viele Tage lagen vor ihnen. Bis Sydney. Wochenlang das Vertauschspiel … es war die längste Reise, die sie auf diese Art unternommen hatten. Ihre ›Übungen‹ hatten auf anderen Schiffen immer nur höchstens drei Wochen gedauert; wenn diese lange Reise überstanden war, wußte er, daß man mit diesem Trick rund um die Welt fahren konnte.
Nur eines durfte man nicht: sich verlieben. Und genau diesen Fehler machte Hans Fehringer jetzt. Auch das drehen wir hin, dachte er und reagierte damit nicht anders als alle anderen Männer, die bei einer schönen Frau einen wesentlichen Teil ihres
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