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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verstandes verlieren.
    Dr. Schwarme traf Ludwig Moor oben auf dem Promenadendeck.
    Moor betätigte sich gesundheits- und konditionsbewußt: Er marschierte auf dem Deck in genau bemessener Schrittzahl auf und ab. In gewissermaßen strammer Haltung – Kopf hoch und geradeaus blickend, Brust raus, Rücken hohl, Arme rhythmisch pendelnd, das Gesicht voll tiefen Ernstes – ging er das Promenadendeck hinunter, machte an diesem Ende eine scharfe, zackige Kehrtwendung und marschierte die ganze Strecke zurück bis zum nächsten Ende. Dort wieder kehrt marsch und das Promenadendeck entlang bis zur nächsten Kehre.
    Interessiert sah Dr. Schwarme dem zweimaligen Vorbeimarsch zu; als Moor zum drittenmal an ihm vorbeiging, sprach er ihn an.
    »Was machen Sie denn da?«
    Moor marschierte weiter. Dr. Schwarme blieb nichts anderes übrig, als an seiner Seite mitzuwandern. Er kam sich reichlich blöd vor.
    »Ich laufe einen Kilometer«, sagte Moor, ohne seine Haltung zu verändern.
    »Wie bitte?«
    »Morgens oder nach dem Mittagessen zur Verdauung. Lesen Sie nicht den Tagesplan? Dort steht: ›Laufen Sie einen Kilometer mit unserer Hosteß Barbara. Promenadendeck, Backbordseite. Morgens um …‹ Aber das werde ich nicht mitmachen, so im Pulk. Ich laufe diesen Kilometer lieber allein. Ich bin kein Herdenmensch.«
    »Und das wollen Sie jetzt jeden Tag machen?«
    »Wenn keine Landausflüge sind, aber ja! Diese Seeluft! Das bläst die Lungen durch, sage ich Ihnen.«
    »Hat sich bei Ihnen wegen des Schreies in der vergangenen Nacht jemand gemeldet?« Dr. Schwarme trabte neben Moor her und wartete darauf, daß seine Wadenmuskeln zu zucken begannen. Er war nie ein guter Läufer gewesen. Überhaupt war er so bequem, daß er sich selbst für den kleinsten Weg, etwa zum Zigarettenladen dreihundert Meter von seinem Haus entfernt, in den Wagen setzte und hin und her fuhr. Jetzt hier auf dem Schiff einen Kilometer zu gehen, war für ihn absoluter Rekord. Dieser Moor blieb ja nicht stehen, er riß ohne Unterbrechung und mit heroischem Ernst seine Strecke ab.
    »Ja. Irgendein junger Offizier.«
    »Bei mir war der Hoteldirektor selbst.«
    »Kunststück, wenn man eine Kabine 018 hat! Bei 382 schickt man Subalterne. Was erklärte er Ihnen?«
    »Sicherlich das gleiche wie Ihnen: Irgendwo im Maschinenraum schleifte etwas. Metall auf Metall – das schreit so auf.«
    »Und Sie glauben das, Dr. Schwarme?«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Es ist eine einleuchtende Erklärung. Was sollte es sonst sein?« Dr. Schwarme lief etwas verkrampft neben Moor. Die dritte Wende hatte er schon hinter sich. »Wie lange müssen Sie noch, Herr Moor?«
    »Noch neunmal.«
    »Da passe ich.« Schwarme blieb stehen und ließ Moor allein weitermarschieren. »Was haben Sie nach dem Marathon vor?« rief er ihm nach.
    »Um 15 Uhr lasse ich mir auf dem Sportdeck von der Hosteß Shuffleboard erklären. Kennen Sie Shuffleboard?«
    »Da mache ich mit. Ich bin ein guter Spieler.«
    »Ihre Frau auch?«
    »Die sitzt beim Friseur. Begrüßungscocktail beim Kapitän und Gala-Willkommensessen. Die Damen haben heute abend ihren großen Auftritt.« Dr. Schwarme winkte dem Marschierer zu: »Bis nachher auf dem Sportdeck!«
    Er stieg die Treppen hinunter zum Sonnendeck, setzte sich innen an die Atlantis-Bar, bestellte ein Pils vom Faß und beobachtete die anderen Passagiere. Auf der verglasten Veranda der Backbordseite hatten sich einige Damen zusammengefunden, um unter Anleitung einer Hosteß einen Bastelkursus zu beginnen. Auf der Steuerbordseite begann sich ein Bridgeklub zusammenzufinden. Die ersten Kontakte für die lange Reise wurden aufgenommen. Schwarmes Blick fiel dabei auch auf den blinden Dabrowski; er saß allein an einem kleinen runden Tisch am Durchgang zum Sonnendeck, schlürfte einen Planters Punch und starrte durch seine dunklen Brillengläser geradeaus.
    Was denkt und fühlt dieser Mann wohl jetzt, dachte Dr. Schwarme. Sitzt da in völliger Dunkelheit herum, hört nur Geräusche und Stimmen, keiner kümmert sich um ihn, seine Pflegerin wird schwimmen oder sich sonnen – ein trostloses Leben, selbst wenn man noch soviel Geld hat.
    Er nahm sein Pilsglas, ging hinüber zu dem kleinen Tisch und räusperte sich. Dabrowski blickte lauschend hoch.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« fragte Schwarme etwas stockend. »Der Platz ist noch frei.«
    »Aber bitte!« Dabrowski lächelte. Er sah, daß Schwarme, obwohl er ja mit einem Blinden sprach, sehr verlegen war und sich so

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