Promenadendeck
einen weißen Smoking und eine weinrote Fliege und trank einen trockenen weißen Burgunder. Auch den Schmuck der anderen Damen taxierte er und fühlte sich ausgesprochen wohl. Wenn er in Sydney an Land ging, würde er sich einen langen Urlaub verdient haben. Mindestens ein halbes Jahr – dann stand eine Kreuzfahrt von Hongkong nach Japan und Hawaii auf dem Programm.
Noch drei Jahre, dachte er, dann bin ich Fünfundvierzig. Ein gutes Alter, um sich zur Ruhe zu setzen und nur noch seinen Hobbys zu leben. Ein Haus auf den Bahamas – dort fragt niemand danach, woher das Geld kommt. Eine junge, blonde Geliebte –, ja, blond müßte sie sein, naturblond, nicht nur auf dem Kopf – zwei gefleckte Deutsche Doggen im Garten, ein eigenes Stück Strand unter Palmen, ein farbiger Butler … und dann das Leben genießen. Jeder lebt ja nur einmal; auch der kleine sizilianische Straßenjunge, der zum Millionär geworden war, indem er denen etwas wegnahm, die sowieso genug hatten. Das war zwar weder moralisch noch sozialistisch, noch christlich, aber es besänftigte sein Gewissen. Denn Carducci war ein guter, gläubiger Katholik, besuchte überall, wo er war, die Kirchen, betete vor dem Hochaltar und stiftete jedesmal eine besonders große Kerze. Nur zur Beichte wagte er nicht zu gehen. Seinen Beichtvater würde er niemals anlügen, also ließ er es lieber. Das Absolvete hätte er doch nie bekommen.
Carducci war allein. Dabrowskis Theorie, daß er mit einem Komplizen arbeitete, war ein Denkfehler. Als die Tanzfläche freigegeben wurde, nachdem Conférencier Hanno Holletitz noch einige deftige, aber wohldosierte Witzchen losgelassen hatte, stand auch Carducci auf und suchte eine Tanzpartnerin. Es war Frau Schwarme, und Dr. Schwarme winkte lässig, als der elegante Herr ihn um Erlaubnis fragte. Schwarme war froh, seinen Whisky in Ruhe trinken zu können. Mit seiner Frau tanzte er schon lange nicht mehr; sie schnalzte immer mit der Zunge vor rhythmischer Begeisterung, und das regte ihn auf.
»Scheiße!« sagte nach einer halben Stunde Dabrowski leise und beugte sich zu Beate hinüber. »Keiner tanzt mit Ihnen.«
»Ihnen als armem Kranken will niemand zu nahe kommen.«
»Ist das eine Pleite. Carducci ist im Saal, das spüre ich. Es kribbelt mir auf der Haut. Er hat Ihren Schmuck längst eingeordnet. So ein Mist! Ich glaube, wir können in unsere Kabinen gehen …«
In Dabrowskis Kabine 136 legte Beate den Schmuck ab. Dabrowski steckte ihn in zwei schwarze Samtsäckchen, legte sie unter den Kopfteil seiner Matratze und schloß, nachdem Beate gegangen war, seine Tür ab. Griffbereit stellte er seine Kamera auf den Nachttisch.
Diese Kamera, eine dem Aussehen nach ganz normale Spiegelreflex, hatte es in sich. Wenn man auf den Auslöser drückte, löste sich ein Schuß, und das Projektil verließ durch das Objektiv, dessen Linse wegklappte, das Gehäuse. Bisher hatte noch keine Sicherheitskontrolle auf den Flughäfen diese Spezialkonstruktion erkannt.
Insgesamt war die erste Ballnacht ein voller Erfolg. Am frühen Morgen gab die Putzkolonne im Fundbüro ab: zwei Damenschlüpfer, einen BH Größe 4, ein einzelnes Brillenglas, eine schwarze Herrensocke und einen abgerissenen Strumpfhalter. Alle Fundsachen wurden im Zahlmeister-Sonderbüro auf einem kleinen Tisch zum Abholen ausgestellt. Aber die Besitzer meldeten sich nie.
Auf der Brücke erhielt Kapitän Teyendorf die neuesten Meldungen aus dem Schiff. Drei Passagiergeburtstage – sie bekamen eine Flasche Sekt, keinen Champagner –, Berichte von der Niederlassung der Reederei in Acapulco und eine Beschwerde über den Passagier François de Angeli. Er hatte in der Nacht im Fisherman's Club mit der Gattin eines Zahnarztes eng umschlungen getanzt, einen sogenannten Reibetanz, und der Ehemann hatte den anwesenden Obersteward Pfannenstiel aufgefordert, das zu unterbinden. Pfannenstiel hatte darauf hingewiesen, daß dies nicht seine Aufgabe sei. Es hatte eine Auseinandersetzung gegeben, bei der man Monsieur de Angeli Ohrfeigen angedroht hatte. Und das schon am ersten, offiziellen Abend.
Außerdem hatte die Frau eines Industriellen ihren Brillantring verloren. Vier Karat, blauweiß, lupenrein. Beim Tanzen mußte er ihr vom Finger gerutscht sein. Der Fabrikant hatte darum gebeten, den Verlust sehr vertraulich zu behandeln. Beim Putzen müsse der Ring ja gefunden werden.
»Das fängt ja alles sehr gut an«, sagte Teyendorf sarkastisch. »Ich bin gespannt, was auf dieser Fahrt passiert,
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