Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Blindenstock und stierte ins Leere. Vor den Schaufenstern standen drei Paare und bewunderten die Schmuckstücke.
    »Plötzlich ist jeder verdächtig«, sagte Erika Treibel leise. »Ein scheußliches Gefühl. Was werden Sie tun, wenn in den Kabinen die ersten Schmuckstücke verschwinden?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Sehr tatkräftig klingt das nicht.«
    »Man kann Carducci nur auf frischer Tat entlarven.« Dabrowski stemmte sich hoch. »Er muß in eine Falle gehen, sonst erwischen wir ihn nie. Nur: Wie die Falle konstruiert sein muß, das weiß ich noch nicht.«
    Dabrowski verließ den Schmuckladen, tappte die Treppen hinauf zum Promenadendeck und setzte sich dort auf eine der Bänke an der Wand. Ludwig Moor wanderte wieder seine tausend Meter ab, in strammer Haltung, Kinn angedrückt, das Kreuz hohl, die Arme im Schrittrhythmus pendelnd, nicht nach links oder rechts blickend. Man muß sich auf seine Aufgaben konzentrieren können, um sie zu bewältigen. Nach zehn Minuten trat Dr. Paterna auf das Promenadendeck, sah sich um und setzte sich neben Dabrowski. Der Blinde wandte ihm den Kopf mit den dunklen Brillengläsern zu. »Ich bin Dr. Paterna, der Schiffsarzt«, sagte Paterna. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    »Ich habe gleich gewußt, daß Sie Arzt oder so etwas Ähnliches sein müssen. Von Ihnen geht ein ganz leichter Duft eines Desinfektionsmittels aus.«
    »Bravo!« Dr. Paterna lächelte breit. »Das haben Sie verblüffend überzeugend gesagt. Sie besitzen eine große schauspielerische Begabung.«
    »Wie soll ich das verstehen?« fragte Dabrowski steif.
    »Sie spielen den Blinden hervorragend.«
    »Spielen …?«
    »Ich bin Ihnen an Bord bisher dreimal begegnet. Beim erstenmal ließ auch ich mich bluffen. Doch schon bei der zweiten Begegnung fiel mir einiges auf. Ein wenig muß er schon noch sehen, dachte ich mir. Aber seit gestern abend, seit dem Ball weiß ich, daß Sie kein bißchen blind sind.«
    »Haben Sie schon mit jemandem darüber gesprochen?«
    »Nein. Ich wollte es zuerst Ihnen selbst sagen.«
    »Was mache ich falsch, Doktor? Du lieber Himmel, ich habe so oft geübt!« Dabrowski lehnte sich zurück an die Wand. Der eifrige Wanderer Moor zog zum sechstenmal an ihm vorbei, ohne den Kopf auch nur einen Zentimeter zu wenden. »Wodurch habe ich mich verraten?«
    »Das sieht nur ein Arzt – dies zu Ihrer Beruhigung. Es sind Kleinigkeiten. Trotz Tasten mit dem Stock gehen Sie die Treppen zu schnell und sicher hinauf oder hinunter. Beim Willkommensball haben Sie einer Dame nachgeblickt – tut das ein Blinder?« Paterna lachte leise. »Ich erinnere mich da an ein Erlebnis, das mein Vater oft erzählte. Er war in russische Gefangenschaft geraten, und unter den deutschen Gefangenen befand sich auch ein Verwundeter, dem man die Augen verbunden hatte. Er sei blind, versuchte er den Russen klarzumachen. Durch eine Explosion geblendet. Das bedeutete: Lazarett und kein Gefangenenlager. Aber in dem Plenny-Sammellager hatten sie eine ganz raffinierte sowjetische Ärztin. Die ließ den blinden deutschen Verwundeten kommen, wickelte ihm den Verband von den Augen, befahl: ›Ausziehen! Alles!‹ und wartete, bis der Plenny nackt vor ihr stand. Dann zog sie sich ebenfalls vollständig aus, und da sie eine wirklich schöne Frau war, reagierte der arme ›Blinde‹ sofort, als nach dem BH auch das Höschen fiel. ›Was ist er doch für ein Schweinchen!‹ sagte die Ärztin zufrieden, zog sich wieder an und ließ den ›Blinden‹ zur schwersten Arbeitskolonne schaffen.« Dr. Paterna klopfte Dabrowski auf den Oberschenkel: »Bei schönen Frauen ist gespielte Blindheit nicht durchzuhalten.«
    »Mich interessierte nicht die Dame, sondern nur ihr Schmuck.« Dabrowski lächelte über Dr. Paternas erstauntes Gesicht. »Ärzte und Geistliche sind zum Schweigen verpflichtet. Sie also auch. Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist kein Räuberroman, sondern Wirklichkeit. Und Sie werden mir helfen, ein vollkommener Blinder zu werden.«
    Der letzte Tag vor Acapulco.
    Im Tagesprogramm der MS Atlantis stand: ›21.45 Uhr Abend der Überraschungen im Sieben-Meere-Saal. Conférencier Hanno Holletitz führt Sie mit Humor und Musik von einer Überraschung zur anderen‹.
    Der Höhepunkt sollte die Elefantenschau von Claude Ambert werden. Bis zum Nachmittag aber wußte man noch nicht, wie man die beiden grauen Kolosse vom C-Deck bis zum Festsaal bringen sollte. Im Lift war es unmöglich. Erstens war er zu klein, und zweitens

Weitere Kostenlose Bücher