Promenadendeck
auch die meisten Polizisten kannte.
Um 21 Uhr begann die Vorstellung … die letzte von Claude Ambert, Sissy und Berta.
Die Premiere wurde ein runder Erfolg. Nur waren es nicht die beiden Elefanten, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen und zu Sprechchören zusammenführten, sondern die Nackttänzerin Saida Jorges, die einen so erotischen Tanz auf die Bühne legte, daß selbst einem abgebrühten Lebemann noch ein Fünkchen Leben in den Unterbauch schoß. Saida mußte drei Zugaben geben; die dritte Zugabe war am kühnsten: Sie war ein in Tanz umgesetzter Koitus.
Das Publikum raste.
Dagegen lief die Elefantennummer in der Arena vor der Bühne wie immer ab, ein paar Klatscher und aus. Aber Ambert war zufrieden. Seine lieben grauen Riesen hatten die Schiffsfahrt gut überstanden und fühlten sich auf festem Boden sichtlich wohl. Auch Dr. Paternas Tabletten hatten keine Schäden hinterlassen. Nur Señor Adelfanga war etwas unzufrieden.
»Ist das alles, was Ihre Elefanten können?« fragte er hinter den Kulissen nach dem Auftritt. »Sie sehen, das reißt niemanden vom Stuhl.«
»Wer kann gegen Saida Jorges ankommen?« Ambert lächelte säuerlich. »Ich habe noch nie eine Elefantendressur gesehen, wo die Elefanten in der Manege ficken. Außerdem sind das hier zwei Weibchen; sollte man sie zu lesbischen Spielen ausbilden?«
Adelfanga ließ Ambert einfach stehen und ging zurück in den Zuschauerraum. Auch das geht vorüber, dachte er. Dieser eine Monat. Dann schreibe ich ihm ein begeistertes Zeugnis; sollen doch die Kollegen in den anderen Städten genauso auf den Flop reinfliegen wie ich. Wer hat ihn mir empfohlen? Juan Hernandez aus San Francisco. Dieser Kretin!
Ambert stattete seinen grauen Lieblingen noch einen Besuch ab, bevor er den Berg hinauf in sein Hotel gehen wollte. Als er den aus Betonsteinen gemauerten Stall betrat, standen da schon vier Herren und betrachteten aus ehrfurchtsvoller Entfernung die Elefanten. Sissy und Berta standen still und angekettet im Stroh und schwangen nur die Rüssel hin und her wie ein Uhrpendel.
»Fremden ist der Zutritt zum Stall verboten!« sagte Ambert mürrisch. »Wie kommen Sie überhaupt hier herein?«
»Wir kommen überall hinein.« Der Leiter des Morddezernats von Acapulco hatte heute seinen fröhlichen Abend. Saida Jorges hatte auch ihn nicht kaltgelassen. Er zog seinen Ausweis und hielt ihn Ambert vor die Augen. »Kriminalpolizei. Na, dann woll'n wir mal.«
»Was?« Amberts Stimme war fest, aber doch irgendwie belegt. »Was wollen wir?«
»Uns unterhalten. Gehen wir zur Dienststelle, das heißt, wir fahren Sie hin.«
»Ich bin französischer Staatsbürger!«
»Na und?«
»Sie können mich nicht einfach mitnehmen.«
»Und was wir alles können!«
»Nicht, ohne die Gründe zu nennen. Ich verlange außerdem die Unterrichtung meines Konsulates.«
»Alles sollen Sie bekommen. Aber eins nach dem anderen. Und dann kommt es noch drauf an, ob wir wollen!« Der Chef der Mordkommission war wirklich bester Laune. Er diskutierte, was sonst nicht seine Stärke war. Wer ihm vorgeführt wurde, war meistens schon ›vorbehandelt‹ und gestand alles. Die Erfolgsquote der Kriminalpolizei von Acapulco war sensationell hoch im Vergleich zu anderen Städten Mexikos. »Ein Grund? Bitte: Wir sind vom Morddezernat!«
Niemand sah, wie Ambert innerlich versteifte. Das ist nicht möglich, schoß es ihm durch den Kopf. Das kann nicht sein! Natürlich haben sie die Leiche gefunden, und dieses Verhör ist eine Routinesache. Ich bin ja der einzige, der nicht mehr auf dem Schiff ist. Das haben wir schnell geklärt und hinter uns. Bloß keine Panik, Claude. Immer ruhig und höflich bleiben. Die mexikanische Polizei ist da sehr sensibel.
»Mord? Das ist ja wohl ein Witz?! Aber bitte, wenn Sie wollen. Fahren wir. Sie werden sich in spätestens einer Stunde entschuldigen müssen, Kommissar.«
»Sicherlich.« Die vier nahmen Ambert zwischen sich, führten ihn zu einem großen amerikanischen Wagen, der am Hinterausgang des Zirkus wartete, und fuhren mit ihm zum Polizeipräsidium. Auf der Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Das machte Ambert unsicher, und so war dieses Schweigen auch gedacht.
Im Dienstzimmer des Kommissars war es drückend schwül und heiß. Man stellte die Propellerventilation an, zog die korrekten Krawatten herunter, öffnete die Kragen und legte die Jacken ab. Alle vier Beamte trugen darunter Schulterhalfter mit Pistolen. Ambert atmete ein paarmal tief durch. Er
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